Eigentlich war ja geplant, dass ich ein bisschen in der Türkei rumhänge, damit ich meine letzte Arbeitserfahrung verarbeiten kann. Doch dann kam das Erdbeben und damit die Entscheidung mich nützlich zu machen. Ich habe vor 5 Jahren so viel Gastfreundschaft in diesem Land erfahren, da erscheint es mir nur recht und billig, wenn ich meine freie Zeit einsetze, um den Türk*innen in dieser Situation auch nur ein bisschen beizustehen.
Abfahrt 19:00 Döbele Konstanz. Natürlich ist der Flixbus eine halbe Stunde zu spät und es ist kalt. aber hey. In München angekommen nehmen wir uns erstmal ein Hotel, weil unsere lieben Freunde den Schlaf der sonst schlaflosen Eltern schlafen. Am nächsten Morgen geht es dann erstmal auf die afghanische Botschaft. Nur ein Seitenschauplatz, aber trotzdem unglaublich: Ali und ich können nicht heiraten, weil der deutsche Staat keine von den Taliban unterschriebenen Dokumente anerkannt. Da zweifel ich manchmal an der mentalen Gesundheit unserer Politiker*innen. Die afghanischen Botschaften in D werden nicht mehr bezahlt und machen ihr eigenes ding. Vielleicht gut, weil Botschaftsgebiet auch immer Staatsgebiet ist und Ali in alle Staaten ausser Afghanistan reisen darf. Weil er sonst seinen Asylschutz verliert. Auch geil. Wir versuchen es also.
Erst will mich die Dame am Empfang nicht reinlassen, weil ich Ausländerin bin. Denkste. Ali stellt sich brav überall an, ich spiele derweil mit all den Kindern, die gelangweilt darauf warten, dass ihre Eltern den Papierkram erledigt kriegen. Schweizer Schokoloade spielt eine nicht unerhebliche Rolle um den Lagerfrieden zu gewährleisten. Nach 6 Stunden reisst mir allerdings der Geduldsfaden. Ich brülle den Mann hinter dem Schalter an und hämmere so lange an die Tür des Konsul bis dieser öffnet. Dann gehts auf einmal schneller. Faszinierend. Wir haben an diesem Abend eine Tazkira, Alis afghanischen Ausweis zu feiern. Zum Heiraten reicht das leider nicht. Man braucht ja eine Ledigkeitsbescheinigung. Ich kotze fast.
Nach dem Rummel muss ich am nächsten Tag erstmal in die Thai Massage und abends geht es dann an den ZOB. 33 Stunden geplante Busreise von München nach Istanbul. Bus kommt nicht. Wir werden auf einen anderen Bus umgebucht. Der kommt eine Stunde später. Läuft.
Die Busfahrt vergeht in verschiedenen Wach-und Schlafphasen, Ausweiskontrollen und einem Streit mit dem Typen zwei Sitze hinter mir, dem ich – wohlgemerkt in Bulgarien, wo Meinungsfreiheit herrscht – sage, dass ich nicht bereifen kann, wie man Erdogan wählen kann. Zumal der Herr Kurde ist und wir alle wissen, wie widerlich Erdogan mit dieser Volksgruppe umspringt. Er will mir eine reinhauen, traut sich aber dann doch nicht, als ich ihm die Backe hinhalte. Nie will sich jemand mit mir prügeln. Sowas.
Endlich in Istanbul holt mich der liebe Sarper ab, einer unserer warmshower hosts vor 5 Jahren. Ich darf mich ins Bett kuscheln und so lange schlafen wie ich muss. Meine Beine sind elefantös und ich hoffe inständig, dass die irgendwann wieder normal werden.
Die Zeit bis zu meiner Abreise nach Ankara vertreiben wir uns mit ein paar Touristenattraktionen. U.a. den Prinzeninseln und dem Topkapi Museum. Wir schlemmen nach Herzenslust und Sarper muss mir immernoch ein Dessert reindrücken. Ich krieg schon wieder Türkei – Schwimmringe um die Hüften.
Und jetzt sitze ich auf einem Hotelbalkon in Ankara und warte darauf, dass ich morgen das erste Mal mit zu den Waisenkindern darf. Ich freu mich schon meinen Koffer mit lauter Kram zu öffnen, mit dem ich selbst gerne spielen würde.
Ich lass hören, wir es läuft. Güle Güle
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