Thai Travels #1

Raus aus dem Bus, kurze Entry-Card ausfüllen, vom netten Beamten, in dessen Kabine das Radio laut Thai-Pop spielt, abstempeln lassen und schwups, welcome to Thailand. Man merkt sofort, dass hier die Gangart eine andere ist. Die Thais sind Langnasen gewohnt. Thailand ist eine der erfolgreichsten Tourismusdestinationen weltweit und wir fragen uns, wie sich das auf unsere Erfahrungen in Thailand auswirken wird. Doch zunächst zuckeln wir erstmal gemütlich Überland Richtung Chiang Rai.

Wir bemerken die liebevoll gepflegten Gärten der Thais mit bunten Blumen darin und die deutlich solidere Bauweise im Vergleich zu der, die wir gerade noch in Laos gesehen haben. Überhaupt hat man das Gefühl, dass Thais starke Farben und schöne Gärten lieben. Besonders auffällig sind die vielen gelben Blumen. Wie wir später erfahren werden ist gelb die Farbe des Montags und nicht etwa die kaiserliche Farbe, wie in China. Der verstorbene König Bhumipol ist an einem Montag geboren und im Trauerjahr für den König sollte überall gelb erblühen. Hat funktioniert.

Wir essen an einer der Suppenküchen in einem Dorf und fallen später fast vom Rad, als das “Chill Cafe” am Straßenrand zu erspähen ist. Echte Druckkaffeemaschine. Man macht uns einen Eiskaffee und wir sind geplättet. Damit eröffnen wir unsere neue Gewohnheit in Thailand: Jeden Tag einen echten Kaffee und das funktioniert erstaunlich gut. An den unglaublichsten Orten finden wir kleine, mit Liebe gestaltete Cafes und Menschen, die mit den Kaffeemaschinen tatsächlich umgehen können und Kaffees zaubern, von denen sich viele, viele deutsche Plörrecafes ein Stück abschneiden können. Außerdem scheint Kaffee und radeln zusammenzugehören und so wundert sich niemand, wenn wir verschwitzt und durstig ins Cafe taumeln.

In Chiang Rai bekommen wir unseren ersten Farang (=Weiße) Schock. So viele Westler haben wir schon ewig nicht mehr gesehen und wir gewöhnen uns nur langsam daran, wieder englisch um uns zu hören und nicht genervt von den Party-Amis zu sein die in großen Gruppen durch die Stadt ziehen. Besonders schön finden wir in Chiang Rai die sonntagabendliche Walking Street, eine Art Open Air Markt, in der es neben lokalen Leckereien auch Kunsthandwerk and einen Haufen Kram zu kaufen gibt. Dazwischen gibt es auch immer wieder kulturelle Darbietungen:

Als wir gerade erst kurz auf dem Markt sind, bleiben plötzlich alle um uns herum stehen. Es ist eine etwas unwirkliche Szenerie, wie bei Inception, wenn der Verstand bemerkt, dass er infiltriert wird. Die Gespräche verstummen und alle bleiben einfach stehen. Es plärrt etwas aus einem Lautsprecher, dann geht das Leben weiter. Wir haben keine Ahnung was das war, vermuten aber das hier:

Auf unserem Weg von Chiang Rai nach Chiang Mai hat die Antonia Geburtstag und es wird schlemmend gefeiert. Außerdem haben wir Glück und erwischen ein hübsches Hotel und ein echtes Restaurant – völliger Zufall, da wir nichts geplant hatten.

In Chiang Mai angekommen beziehen wir unser Airbnb Apartment in einer ruhigen Seitenstraße, Ich darf rausfinden, ob ich selbst noch ein Rad lenken kann, mit dem ich zu meinen täglichen Yogastunden eiere und Daniel nutzt die Zeit, um mal so richtig schön auszuspannen und ein Buch über Fotografie zu lesen. Chiang Mai ist auch der Ort, an dem ich unfreiwillig einmal in den Genuss einer Thai-Zahnbehandlung kommt, wegen welcher auch viele Europäer nach Thailand reisen. Mir ist ein Stück vom Schneidezahn abgebrochen und so lande ich auf einem angenehm weichen Zahnarztstuhl in einer blitzsauberen und gut klimatisierten Zahnklinik, die glücklicherweise gerade gegenüber der Wohnung liegt. Sowohl die Empfangsdamen als auch die 30-jährige Zahnärztin sprechen englisch, ich fühle mich gut aufgehoben und so ist der Zahn schnell wieder rund geschliffen, während Thai-Pop das Behandlungszimmer beschallt. Kaum 32 und schon fällt man auseinander. So ein Mist.

Nach 5 Tagen kribbelt es uns bereits wieder stark in den Beinen und wir freuen uns beide wieder weiterzuziehen. Die anfängliche Euphorie wieder auf dem Tandem zu sitzen, blättert bei mir aber schnell. 5 Tage Yoga und somit kein Tag Sportpause, ein paar ungewohnte Asanas und eine aus versehen harte Privatstunde, bei der Kru Nok meiner Wirbelsäule gezeigt hat, wie biegsam sie ist, stecken mir ganz schön in den Knochen. Das schlimmste? Muskelkater in den Schienbeinen. Der wird auch nicht besser, als wir unerwarteterweise mit Anstiegen konfrontiert sind, die locker über 15% liegen.

Die ersten zwei kämpfen wir uns noch auf dem Tandem hoch, danach wird geschoben. Und das für ungefähr 4 km. Das hört sich jetzt vielleicht nach nicht so viel an. Aber es fühlt sich nach viel an. Am Anfang schaffen wir noch ca. 40 Schritte, bei denen wir mit unserem vollen Körpergewicht das 60 kg Tandem die 20% Steigung hochdrücken. Jedes Intervall ist eine Qual. Es ist heiß, mir läuft der Schweiß in Bächen den Rücken hinunter, mein ganzer Körper ist unter Spannung, weil ich das Tandem gerade halten muss, während unter mir meine Füße dauernd abrutschen. Die Klickers rutschen ab, weil ich auf meine Ballen muss, um genug Druck nach vorne aufzubauen, um das Tandem überhaupt zu bewegen. Wenn ich abrutsche, kostet mich das extra Kraft und mein Muskelkater miaut gequält. Daniel steht hinten fast parallel zum Anstieg und wirft ebenfalls sein ganzes Körpergewicht nach vorne. Sobald dann auch meine Arme vom Laktat gepeinigt werden, schreie ich Stopp und keuche um mein Leben, bis ich wieder genug Luft kriege, um die nächsten Schritte zu gehen. Gegen Ende kann ich nur noch 20 Schritte und frage mich wirklich ernsthaft zum ersten Mal auf der Reise, ob ich das schaffen kann. Wir können. Genug Sauerstoff für geistreiche Bemerkungen ist aber bei der Abfahrt noch nicht wieder vorhanden:

Irgendwann ist ja jeder Berg einmal zu Ende. Denkste. Als ich es gerade geschafft habe meine schlotternden Beine einzuklicken und den sachten Abfahrtswind auf meiner verschwitzten Haut genieße, erhebt sich der nächste Anstieg hinter einer Kurve. Ich bin kurz davor verzweifelt aufzuheulen, Daniel hat aber bereits leichter geschalten und das heißt treten oder umfallen, wenn ich ihm nicht schnell genug Bescheid sagen kann, dass wir anhalten müssen. Also treten. Ich trete gerade mit all meine Willen, als es plötzlich kracht und ganz leicht geht, wir einen Schlenker nach links machen und ich gerade noch ausklicken kann, bevor wir auf der Schnauze liegen. Kette gerissen. Ist halt immer was, ne.

Daniel kann schon wieder fluchen, ich versuche gerade noch genug Luft in mein Hirn zu pumpen, um zu verstehen, was gerade passiert ist und was die Folgen davon sein könnten. Während wir das Tandem den Rest des kurzen Anstiegs hochschieben, denke ich: zum Glück haben die hier alle Pick-ups, da kann uns schon einer bis zur nächsten Stadt abschleppen.

Als wir uns das Ganze näher ansehen, stellen wir fest, dass die beiden größten Ritzel an der Kassette hinten fies verbogen sind. Wie sowas passieren kann, versteht keiner, aber es bedeutet, dass wir weniger leichte Gänge zur Verfügung haben bis wir aus dieser Wellenhölle heraus sind. Daniel zaubert den Kettennieter hervor und mir dämmert, dass man das Ding wieder zusammennieten kann. Eine Welle der Zuneigung überkommt mich und ich glaube fast ein großes S vorne auf Daniels Shirt zu sehen. Oder ich sollte mal ein wenig Zucker essen und mehr atmen. Wir snacken also ein wenig süßen Reis, reparieren die Kette und zuckeln weiter. Das Schaltwerk scheint auch ganz schön was abbekommen zu haben und schaltet selbstständig wild in der Gegend rum, was meinen geschundenen Beinen den Rest gibt. Erst ins Leere treten, dann wieder voll gegen den Widerstand. Ich frage mich wie schnell Sehnen so reißen und höre meinem eigenen pfeifenden Atem zu. Aber irgendwann ist ja alles mal zu Ende. Tatsächlich kommen wir in Lamphang an. Ich bin völlig zerstört, aber Daniel will unbedingt sehen, ob uns jemand eine neue Kassette hinten einbauen kann. Und ich ziehe mit der Aussicht auf einen komplett freien nächsten Tag ergeben mit.

Also einchecken und wieder aufs Rad, auf zum Radshop und hoffen, dass der etwas hat. Als wir da sind können wir unser Glück kaum fassen. Qualitätszubehör, ein mehr als fähiger Mech. Man bringt mir nach einem mitleidigen Blick einen Hocker, damit ich von dem aus die Arbeiten beobachten kann, während Daniel und der Mech über Kassetten-Spezifikationen fachsimpeln. Ich find das ja schön, wenn die Jung sich verstehen und der nette Mech klärt uns darüber auf, dass radeln erst seit 2 Jahren hip ist in Thailand. Ich bin unendlich froh, als alles fertig ist.

Den nächsten Tag verbringen wir im hübschen und beschaulichen Lamphang, streunen ein wenig durch die geschichtsträchtigen Straßen, gönnen uns einen Kuchen im gemütlichen Cafe ums Eck und ich lasse das Ruhetag-Yoga mal ausfallen.