Serbien
In Kroatien waren wir leider nur 4 Tage und wir freuen uns darauf Serbien ein wenig besser kennenlernen zu dürfen, als wir aufgrund der Wettervorhersage entscheiden die nächste Etappe nach Novi Sad in Serbien lieber in zwei aufzuteilen und pro Tag nur 50 km bei Regen und 5 Grad zu fahren.
Der fiese Wetterbericht hat recht: Am ersten Tag regnet es fast die ganze Zeit, aber unsere Kleidung hat standgehalten und die LKW-Fahrer haben meist gnädige Schlenker um uns gefahren, sodass wir wenigstens von der Seite nicht auch noch die volle Ladung abbekommen haben.
Unser erstes Etappenziel ist Odzaci, eine Kleinstadt, in der man uns in der Touri-Info, die mit 3 netten Damen besetzt ist, in feinem Englisch erklärt: “Oh wir haben sonst keine ausländischen Gäste.” und uns dann eine Broschüre über die Region auf deutsch aushändigt. Man lässt uns nicht gehen, bevor nicht jede Bar und jedes Restaurant auf der Karte eingezeichnet ist und wir haben an diesem Tag tatsächlich die Zeit fast alle zu besuchen – na dann ziveli – Prost! Die Tradition überall zu rauchen, hat bereits in Kroatien wieder begonnen und uns wundert es schon gar nicht mehr, dass uns eine blaue Wolke entgegenschlägt, egal wo wir hingehen – so auch in jeder Bar in Odzaci. Man erkennt uns immer sofort als nicht in der Stadt ansässig und ist offensichtlich bemüht uns alles auf englisch zu erklären, dass hier jeder zu sprechen scheint. Echt gut für uns, denn viel verstehen wir noch nicht von den kyrillischen Schriftzeichen und so eine Speisekarte ist dann nicht mal als solche zu erkennen, weil man eben nichts lesen kann.
Nach einem kleinen Intermezzo im pittoresken Novi Sad hauen wir die 92 km und 500 Höhenmeter bis Belgrad an einem Stück durch, inklusive hardcore Stadtverkehr in der 1,6 Mio. Stadt. Hier gönnen wir uns eine zweitägige Touripause und ein hübsches Airbnb Apartment. Wir besuchen das Tesla-Museum und würdigen den berühmten Sohn Serbiens, der nicht nur ein genialer Erfinder (Wechselstrom und 700 andere patente) war, sondern seiner (und unserer) Zeit weit voraus, was die Folgenabschätzung von Erfindungen und Selbstlosikeit angeht angeht (er hatte die Vision die ganze Welt mit kostenloser Energie zu versorgen).
Beim Verlassenn von Belgrad sind wir ganz aufgeregt – nicht weil wir zunnächst auf einer 6-spurigen Straße landen, sonder weil wir die nächsten beiden Nächte bei Wamshowers in Serbien verbringen werden. Unsere erste Sation ist Dragi im pittoresken Krusevac. Er wohnt mit seiner verschmusten Husky-Hündin Dina und seinen Eltern zusammen und wir werden mit selbstgemachtem Kuchen, Kaffee und serbischem Weisswein empfangen. Beim ganzen diskutieren über die Gewohnheiten in Serbien und die Legalisierung von Marihuana, für die er sich sehr einsetzt, vergessen wir die Zeit und geniessen den Wein, der v.a. Antonia am nächsen Tag fies in den Beinen (und im Magen) hängt. Daniel und der Gegenwind kennen kein pardon und so wird gestrampelt, bis von hinten ein Freilauf zu hören ist und zwei Radler neben uns auffahren. „Want to go behind us?“ Wäre ich nicht auf diesem Rad festgeklickt, ich hätte sie geknutscht! So durften wir bis Nis schön im Windschatten von Natasa und Milos fahren und bekommen noch einen Serbien-Hit vorgestellt: Cockta, das einheimische Cola, welches uns noch die restliche klebsüsse Zuckerpower für die letzten Kilometer gibt.
In Nis dürfen wir beim Warmshower Mirko unterkommen. Wie sich herausstllt, musste dieser jedoch unverhofft nach Belgrad reisen und so empfängt uns Mirkos Mama und sein Bruder Steven mit einer unglaublich leckeren Fischsuppe, Brennessel-Sirup und selbstgemachten Spinat-Burek mit pikantem Tomatensaft zum Frühstück. Wir nutzen Google Translator für die Verständigung und erfahren so wieder einiges über Serbien und die Herzlichkeit der Menschen.
Am nächsten Tag brechen wir früh auf, da wir 100 km vorhaben und nicht wissen wo wir übernachten werden und es dann immer ganz gut ist ein wenig Pufferzeit einzuplanen. Wir radeln wieder wild Überland und mancher Bauer auf dem Feld ist schon arg entsetzt, was da über seinen Feldweg hoppelt. Aber sobald man die Hand hebt, erstrahlen die Gesichter in einem Lächeln und man winkt wie wild zurück. Nachmittags halten wir für unsere fast schon obligatorische Kaffeepause in einer kleinen Stadt. Wir sind gerade wieder losgefahren, als hinter uns Radfahrer auftauchen – und ein Tandem. Ich kann es nicht glauben und Daniel hat grosse Mühe unser Tandem auf Kurs zu halten, während ich umgedreht frenetsich winke und mich freue. Der Tross hält und man fragt uns, ob wir gerne etwas am Fluss trinken möchten. Wir sagen zu und ich kriege mich erst wieder ein wennig ein, nachdem wir uns alle vorgestellt haben und ich das Tandem und das wunderhübsche Paar darauf von allen Seiten fotografiert habe. Maja und Milan sind ein Paar und machen Ausfahrten zusammen mit ihren Freunden, wenn Milan nicht gerade mit seinem Traningspartner für die Paralympics trainiert. Er ist blind, sitzt hinten und gibt Gas, während der vordere Mann lenkt und mittritt. Wir haben uns viel zu erzählen und es ist, als würden wir uns schon ewig kennen. Die herzliche Einladung doch mit ihnen in die letzte Stadt Lescovac zurückzufahren und bei ihnen zu übernachten, müsssen wir leider ausschlagen, da wir wissen, dass Gewitter kommen und wir vorher gerne noch über den Pass fahren möchten.
Gestärkt von dieser schönen Begegnung fahren wir in den Pass des Tages. 25 km bergauf, nach 75 km eher flachem Gelände an diesem Tag. Es ist heiss, die Schenkel brennen, Daniel hat schon einige Salzränder auf dem Rücken, auf den ich immmer starre. Wir pushen uns mit dem Cockta und der Schokolade von Milan und Maja den Berg hinauf und erreichen völlig fertig den Passhöhepunkt 4 km vor der bulgarischen Grenze in der Dämmerung. Auf der Höhe thront ein Dorf und glücklicherweise stehen 2 Leute auf ihrem Kartoffelacker. Ich schleppe mich hin und frage vorsichtig: „Dobre Dan, is there a pace where we can camp?“ Lächelnd und im feinsten Englisch kommt zurück: „Yes go up there.“ Ich schaue entsetzt auf den bergauf führenden Feldweg , den Jelena zeigt und frage mich wie man da einen flachen Platz zum campen finden soll. Die Antwort: auf dem Fußballplatz. Wir sind fertig, glücklich, mit toller Aussicht gesegnet und verdrücken Buchweizen mit Tomatenmark und Paprika, wie man es uns in Slowenien beigebracht hat. Herrlich!
Dann folgt die letzte Nacht in Serbien. Der Herzschmerz ist gross. Wir haben dieses schöne Land lieben gelernt und sind begeistert von der Offenheit der Serben, ihrem unglaublich guten Kaffee, ihrer Hilfsbereitschaft in allen Lebenslagen und ihrer freundlichen Art, die ich z.B. darin zeigt wie wild zu winken, wenn wir vorbeiflitzen. Wir haben auch gelernt, dass das monatliche Durchschnittseinkkommen bei 200 Euro liegt, dass grosse Arbeitslosig- und eine gewisse Perspektivenlosgkeit bei der Jugend herrscht und deswegen viele ihre Familien verlassen, um im Ausland Geld zu verdienen. Wir haben gesehen, dass v.a. alte Menschen ihre Äcker in harter Handarbeit ohne Maschienen mit einer Hacke bestellen und sind deshalb noch dankbarer für all die Zuversicht, die Herzlichkeit und die Großzüggkeit, die man uns entggengebracht hat.
So trennen wir uns lngsam und freuen uns auf unseren letzten Balkan-Staat: Bulgarien.
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