Wegesrand-Initiative #1: Deutscher Alpenverein

Auf unserem Weg bis nach Indonesien werden wir hie und da ein wenig vom Weg abweichen und die ein oder andere Initiative, ein Projekt, einen Menschen oder eine Idee portraitieren. Am Ende soll eine Geschichtensammlung entstehen, die inspiriert, aufregt, zum Nachdenken oder Nachahmen anregt, die zeigt, dass viele verschiedene Menschen sich an vielen verschiedenen  Stellen einbringen, um einen Unterschied zu machen.

Den mutigen Anfang macht Tobias Hipp. Er ist im Bereich Naturschutz beim Deutschen Alpenverein (DAV) tätig. Wir dürfen ihn im Headquarter des DAV in München treffen:

Antonia: Tobi, danke, dass du unsere Interviewanfrage so spontan bejaht hast. Erste Frage: Kannst du für alle Nicht-Bergziegen kurz erklären, was der DAV macht?

Tobias: Der DAV ist Deutschlands größter Bergsport -und Umweltschutzverband.

[Ungläubige, große Augen bei Antonia und die Frage: Echt jetzt? Das war mir nicht bewusst!]

Tobias: Ja, wir haben 1,1 Millionen* Mitglieder. Neben unserer wichtigen Aufgabe als Bergsportverein mit Hütten, Wegen, Wegeinstandhaltungen sind wir auch anerkannter Naturschutzverein in Deutschland und Österreich. Das sind unsere beiden Themen, die vielleicht manchmal konträr wirken, jedoch ist es auch spannend diese beiden Aufgaben unter einen Hut zu bringen. Es ist oft nicht leicht, da wir unsere Sportler in die Berge schicken und gleichzeitig versuchen die Berge natürlich zu halten, indem wir Räume so erhalten wie sie im Moment sind, ohne technische Maßnahmen zu ergreifen.

*[Zum Vergleich: WWF Deutschland: ca. 450.000 Mitglieder, Greenpeace Deutschland: ca. 580.000, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland 565.000]

Antonia: Kannst du darstellen auf welchen Feldern ihr euch im Naturschutz bewegt?

Tobias: Das ist sehr weitläufig. Unser Hauptanliegen ist, dass wir als Naturschutzverband Gehör finden, indem wir z.B. offiziell Stellungnahmen einreichen, wie beim Riedberger Horn**. Wir haben die Möglichkeit eigene Gutachten zu erstellen und einzureichen und so die Diskussion mitzugestalten. Skigebiete und Wasserkraftwerke sind große Themen, bei denen wir die Aufgabe haben einen Mittelweg zu finden. Das Ziel ist immer die Naturräume in den Alpen zu bewahren, zur Erholung, für die Flora und Fauna und für den Bergsport. Der DAV steht hier in der Verantwortung, da er die Alpen miterschlossen und die Leute aktiv in den Berg gebracht hat. Nun müssen wir aber feststellen, dass die Ausbaugrenze erreicht ist. Dies ist der klassische Naturschutzflügel.

Weiterhin gibt es aktive Maßnahmen, wie das Projekt “Natürlich auf Tour”, mit welchem wir bestimmte Bereiche in den Alpen als sensibel ausweisen und unsere Skitourengeher und Mitglieder bitten diese Räume zu meiden. Der dritte Bereich ist sanfter Tourismus.

** Das Projekt Skischaukel am Riedberger Horn soll zwei Skigebiete im Allgäu verbinden und so die Region attraktiver machen. Dafür sollen allerdings Alpen-Schutzzonen aufgehoben werden, die das Gebiet vor weiterer Verbauung schützen. Die Bayerische Staatsregierung hat mittlerweile einer Änderung der Schutzzone „Alpenplan Zone C“ zugestimmt. Aus rein rechtlicher Sicht steht somit dem Zusammenschluss nichts mehr im Wege.

Antonia: Innerhalb des Themas sanfter Tourismus interessieren uns v.a. die Bergsteigerdörfer. Kannst du das Konzept kurz erläutern?

Tobias: Das ist ursprünglich ein Projekt des Österreichischen Alpenvereins und wir haben das Konzept übernommen. Damals wurden Dörfer gesucht, welche in der Gemeindepolitik festgelegt haben, dass sie keine weiteren technischen Maßnahmen für den Tourismus ergreifen wollen, sondern lieber ihre Natur so erhalten wollen wie sie ist und dabei einen Schwerpunkt auf alpine Kultur, Tradition und Landwirtschaft legen. Dabei soll weniger die große Masse n Touristen angesprochen werden, als vielmehr die Qualität des Aufenthalts im Vordergrund stehen. Dies hat vor allem in Österreich eine hohe Brisanz, da hier immer größere Skigebiete zusammengeschlossen werden und die anderen Dörfer eine Möglichkeit gesucht haben bei dieser Entwicklung nicht teilzunehmen. Somit sind die Bergsteigerdörfer eine Art Alternative und zugleich Leuchtturmprojekte für sanften Tourismus. Das erste deutsche Bergsteigerdorf ist Ramsau in Berchtesgaden.

Antonia: Welches Angebot finde ich als Tourist in Bergsteigerdörfer vor? Was unterscheidet sie von anderen Dörfern in den Alpen?

Tobias: Das kommt auf die Gemeinde an. Unsere Erfahrung als Koordinator des Projekts ist, dass die Gemeinden sehr motiviert sind und Ideen anpacken, welche sie vielleicht bereits hatten aber noch nicht umsetzen konnten. Dazu gehört ein Angebot zum Verleih von Bergsteigermaterial genauso, wie die Wiederbelebung von Dorfläden, die z.B. regionale Produkte verkaufen. Ramsau in Berchtesgaden hat dabei einen philosophischen Ansatz für sich entdeckt: ein Philosoph der Uni Zürich hat sein Büro nach Ramsau verlegt und organisiert Veranstaltungen im Rahmen “Mensch, Berge und Kultur”. Die beiden neuen Bergsteigerdörfer Schleching und Sachrang arbeiten z.B. daran die Anreise und Mobilität vor Ort mit ÖPVN zu verbessern.

Antonia: Wie sieht es mit dem Bereich Wissen und Bildung beim DAV aus?

Tobias: Wir machen Umweltbildung, indem wir unsere Tourenleiter in Naturschutzthemen ausbilden. Des weiteren machen wir Projekte im Bereich Klimawandelfolgenanpassung, um nicht nur den Zeigefinger zu heben sondern aktiv zu werden. Hier hatten wir die letzten zwei Jahre das Projekt “Klimafreundlicher Bergsport”, bei dem es vor allem um die klimafreundliche Anreise zum Bergsport mit öffentlichen Verkehrsmitteln ging. Im Folgeprojekt “Bergsport mit Zukunft” geht es verstärkt um Energieeffizienz auf Hütten und in Kletteranlagen.

Antonia: Zum Abschluss würden wir dich gerne um den “Wandertipp” bitten. Er soll eine praktische Maßnahme sein, die jeder in seinem Alltag einmal ausprobieren kann.

Tobias: Mit offenen Augen und Armen in die Alpen gehen: die Alpen sind voll von kulturellen Besonderheiten, Naturjuwelen und kulinarischen Einzigartigkeiten. V.a. in den Bergsteigerdörfern wird dies bewahrt und gepflegt. Wenn wir alle mit einer höheren Wertschätzung in die Berge fahren, dann ist ein wichtiger Schritt getan um diese Kultur- und Naturgüter dauerhaft zu bewahren.

 

 

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