“Sag mal, bist du denn gar nicht aufgeregt?” Bis Dezember 2016 konnte ich immer locker abwinken und sagen: Das dauert ja noch ewig. Ich konzentriere mich gerade noch auf dieses und jenes und jetzt kommt ja erstmal Weihnachten. Vorabfahrtliche Gefühlsausbrüche á la: “Oh jetzt bist du ja bald weg! Vielleicht ist das der letzte Abend, das letzte Essen, der letzte Spaziergang bevor du abreist. Wir sehen uns ja nochmal oder?” habe ich gut abtun können. Im Dezember hatten wir dann bereits vor Weihnachten frei, haben uns einen Plan gemacht, wer wann, was zu tun hat vor dem lospedalierenn und ab dann war es vorbei mit der vorweihnachtlichen Beschaulichkeit.
Welche 3-Lagen-Multi-Funktionsjacke mit wievielen Membranen ist nochmal der absolute Performance vs. Kosten Gewinner? Welche Versicherungen brauchen wir eigentlich? Muss ich mich da wirklich durchwühlen? Welche Argumente sind die besten, um mit dem Begründungsschreiben für einen 2. Reisepass ganz sicher die Sachbearbeiterin der Stadt Konstanz zu betören? Dazwischen ständig das Gefühl noch nen Reise-Blog lesen zu müssen und die Erfahrung, dass wenn man ein Sache angeht, fünf weitere verlinkte To Do´s auftauchen.
Also erstmal Entschleunigen. Die Woche zwischen Weihnachten und Neujahr habe ich schon immer geliebt. Es ist eine magische, unwirkliche Zeit, in der alles zu schlafen scheint. Alle haben frei, sitzen bei Familie und Freunden, es kommen keine Mails rein und man selbst versinkt im süßen Nichtstun, nur unterbrochen von Besuchen, Essen und ausladenden Spaziergängen um sich den Weihnachtsspeckröllchen nicht ganz zu ergeben. In dieser Zeit habe ich festgestellt, dass dieses ständige auf einen Punkt hinarbeiten nicht nötig ist. Ja klar kann ich jetzt schon wissen, welche Dokumente ich für ein China-Visum brauche und es ist auch wichtig sich mit der Frage auseinanderzusetzen wie viele warme Lagen ich wohl brauchen werde um die kirgisische Kaltfront zu überstehen. Aber das Ganze in Stress ausarten zu lassen, wäre so als würde man eine Woche vor einem gemütlichen Essen versuchen schon mal Dinge vorkochen, damit auch ja alles parat ist, wenn man an dem Morgen aufsteht. Anstatt sich einfach mal mit ein paar Rezepten auseinanderzusetzen, zu überlegen wann man einkaufen geht und sich sonst einfach auf den Abend freut.
Die Sache ist nämlich: Manche Dinge kann man einfach nicht vorbereiten und oft sind es ja genau die unverhofften Momente, die einem die eigene Kreativität und Offenheit vor Augen führen und in denen man lernt, dass man ad hoc noch Lösungen finden kann.
Im neuen Jahr habe ich dann also beschlossen die Dinge einfach nacheinander abarbeiten. Stück für Stück. Immer ein bisschen. Das hat bis jetzt ganz gut funktioniert. Das Gefühl sich auf dem Zwischendeck zu befinden, bleibt trotzdem. Nicht mehr ganz im Maschinenraum des normalen Alltag, bei dem die Prioritäten klar gesteckt und der Fokus gehalten ist, aber auch noch nicht ganz auf der Sonnenterrasse, auf der viel Überraschungen und Abenteuer warten und die nächsten Schritte nur von meinen Entscheidungen abhängen. Einerseits gilt es nämlich noch wichtige Dinge abzuschließen und so vorzubereiten, dass sie von anderen übernommen werden können. Ganz ausblenden kann man dieses Neue, Aufregende, in das man sich bald mit Haut und Haaren werfen wird, aber auch nicht. Auch weil man sich selbst die Möglichkeit geben will sich auf die neue Situation einzustellen und die Vorfreude zu genießen.
Meine Art damit umzugehen:
- Im Moment und den Tag von vorne nach hinten leben. So kann ich allem die nötige Aufmerksamkeit schenken und verpasse nicht das, was gerade noch passiert, weil ich in Gedanken bereits einen Pass hochkeuche.
- Die Zeit in ihrer Gesamtheit betrachten. Ich weigere mich alles vor der Reise zum “letzten Mal” zu machen. Es ist nur ein Jahr, in dem ich manche Dinge nicht mehr machen kann, weil ich physisch nicht anwesend bin. Das bedeutet aber nicht, dass ich diese Dinge danach nicht wieder machen werde. Ich liebe meine Freunde dafür, dass sie dauernd sagen, dass sie mich vermissen werden. Das werde ich auch. Aber ihr wisst wie das ist: Meist ist es wunderbar etwas eine Zeit lange nicht zu haben. Dann freut man sich umso mehr aufeinander und nimmt nicht alles als selbstverständlich.
- Mir immer wieder klar machen, dass die Reise “unsere Zeit” ist, die wir gestalten. Sie ist kein Projekt, dass ich besonders effizient und brilliant durchführen muss. Sondern wir entscheiden wie sie werden soll. In der Vorbereitung muss ich eben wieder lernen mit mehr ungeplanter Zeit klarzukommen. Nicht immer alle abzuackern, sondern mir auch Freiräume zu lassen für Dinge, die ich gerne mache. Und das in der Zeit, die ich dafür brauche. Es dauert eben mal so lange wie es dauert. Und das ist echt ein tolles Gefühl.
Seit diesen Erkenntnissen ist es im Zwischendeck gar nicht mehr so ungemütlich. Ich kann immer noch Vollgas im Maschinenraum geben in der Zeit, in der ich mich dort aufhalte. Ich erlaube mir aber bereits ab und zu auf dem Sonnendeck Freiheit zu schnuppern. So habe ich das Gefühl allem gerecht zu werden und nichts zu starr zu bewerten. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen diese Einsicht früher im Leben zu erhalten. Aber auch das ist die Magie der Reise: alles wird klarer und man nimmt sich die Zeit über die grossen Dinge des Lebens nachzudenken.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.