Wir sind beide aufgeregt nach Malaysia zu kommen. Daniel, weil er die Abwechslung braucht nach 6 Wochen Thailand und weil er noch nie in diesem Land war. Ich, weil ich vor fast 10 Jahren Malaysia schon einmal besucht habe. Eine liebe Freundin von mir ist halb Malayin und ich durfte eine spannende Zeit mit ihr und ihrer Familie erleben. Was mir sonst geblieben ist? Das unschlagbare Essen in Malaysia. Von dem schwärme ich Daniel schon länger vor.
Unser Grenzübertritt nach Malaysia verläuft unspektakulär und ist unser Erinnerung nach der schnellste, den wir nach den europäischen Ländern machen. Wir landen auf einer einsamen Straße, links und rechts Regenwald, ein paar Affen spielen lautstark miteinander und hangeln sich an den Stromkabeln, die an der Straße entlang verlaufen, voran. Uns begrüßt sogleich ein kleine Moschee im Dorf und ich bin froh, dass ich mich trotz der Hitze entschieden habe meine Hosenbeine wieder anzuzippen – meiner Erinnerung nach sind Malayen zwar sehr offen, was Kleidung angeht, da sie seit Jahrzehnten mit anderen Glaubensrichtungen zusammenleben, ich finde es jedoch gerade auf dem Land angebrachter eine lange Hose zu tragen.
Kurz nach der Grenze steht uns dann ich der Berg des Tages bevor. Er hat echte Serpentinen und uns rinnt der Schweiß in Bächen den Körper hinunter. Dann kommt die kühlende Abfahrt:
Wir eiern durch kleine Dörfer, an Reisfeldern und Kautschukplantagen entlang und ich freue mich einen Großteil der Schilder am Wegesrand lesen zu können. Ibu Andi, meine Indonesischprofessorin wäre zwar entsetzt, wie schlecht mein gesprochenes indonesisch ist, aber der passive Wortschatz ist auch fast 9 Jahre nach dem Bachelorabschluss noch da und ich bin gespannt welche Unterschiede zwischen malayisch und indonesisch ich vergessen habe. Bald wird sich herausstellen, dass meine Fähigkeiten gar nicht gefragt sind- man redet eh englisch mit uns, welches eine der offiziellen Sprachen in Malaysia ist.
Um die ein oder andere heruntergeklappte Kinnlade zu provozieren, reicht es aber allemal, z.B. in Georgetown, als ich an einer Spapreisliste hängenbleibe und Daniel schon ein paar Meter vor mir herläuft. Als ich die Massage gefunden habe, die ich machen will, gehe ich weiter uns sehe aus dem Augenwinkel eine Gruppe Malayen auf der anderen Straßenseite. Sie sind in Urlaubsstimmung und lachen zusammen. Einer der Jungs wechselt die Straßenseite, schaut mich frech an und sagt auf englisch “hot”. Ob er das Wetter oder mich meint, bleibt natürlich offen. Ich grinse spitzbübisch zurück und sage “Wah, tidak panas.”, was sich sowohl auf das Wetter, als auch auf ihn oder mich beziehen kann. “Es ist nicht heiß.” oder “Du bist nicht heiß.” oder “Ich bin nicht heiß”. Manchmal liebe ich die Ungenauigkeit dieser Sprache. Dem Kerl entgleist das Gesicht, seine Freunde auf der anderen Straßenseite brechen in Gelächter aus, eines der Mädchen entschuldigt sich für ihren Freund. Ich sage “Tidak apa-apa.” – “Macht nichts.” und schlendere die letzten Meter zu Daniel, um ihm die Story zu erzählen. Manchmal ist es einfach herrlich für eine Überraschung sorgen zu können.
An diesem Abend landen wir in einem Dorf inmitten von Reisfeldern und bleiben dort in einem Homestay. Der Angestellte des Besitzers ist völlig aus dem Häuschen als ich mein mageres indonesisch zum besten gebe und plaudert in Zeitraffer drauflos. Ich verstehe nur jedes dritte Wort, schaffe es aber irgendwie an de richtigen Stellen zu lachen, ja oder nein zu sagen oder einen ganzen Satz. Als er wieder allein sind, schaut Daniel mich mit großen Augen an: “Das hast du verstanden? Ich bin beeindruckt.” Ich finde es nicht so rosig, wenn man bedenkt, dass ich diese Sprache 3 Jahre lang recht intensiv gelernt habe. Aber ich entschließe mich, Geduld mit mir zu haben. Den Abend verbringen wir in einem hübschen Restaurant mit Livemusik, bevor wir erschöpft ins Bett fallen. Das heiße und vor allem humide Wetter macht uns arg zu schaffen. Die Wetterapp sagt 32 Grad fühlen sich wie 45 an. Kann ich bestätigen. Ich schwitze normalerweise nicht so hemmungslos wie Daniel, aber wenn ich während dem fahren die Schweißperlen sehe, die sich an meinem Unterarm sammeln, wundere ich mich nicht, dass wir spätestens alle drei Tage unsere komplette Garderobe waschen müssen, weil sie zum Himmel stinkt.
Am nächsten Tag sind wir wieder einmal bei Warmshowers und freuen uns in die malaysische Familie aufgenommen zu werden. Faham hat selbst schon ein paar längere Touren in Indonesien und Thailand mit dem Rad unternommen und will seine frisch angetraute Ash ebenfalls zum radeln motivieren. Ash ist eine aufgeschlossene und extrem aufmerksame Gastgeberin. Sie erklärt uns einiges, was uns später auf der Reise sehr hilfreich sein wird und dabei ihrem ausgezeichneten Englisch zu lauschen ist eine Freude. Sie übersetzt auch immer wieder für ihre Eltern, die wenig englisch sprechen, bis ich mich oute und Ashs Vater “Ayah” selbst beginnt mit mir zu reden. Er muss sehr langsam reden, aber ich kann die meisten seiner Fragen beantworten und das freut ihn. So erfahren wir, dass er sieben Kinder und 4 Enkelkinder hat, bereits seine Reise nach Mekka vollbracht hat und somit Haji ist und dass er findet, dass wir zu mager sind.
Wir genießen die Zeit mit der Familie und wir können ein wenig zurückgeben, indem wir von unseren Erfahrungen mit dem Tandem berichten – vielleicht auch eine Option für Faham und Ash.
Wir fahren nur einen halben Tag bis Georgetown, kämpfen aber mit einem Platten und der Hitze und sind froh, als wir das UNESCO Weltkulturerbe auf der Insel Penang erreichen. Wir logieren stimmungsvoll in einem der zahlreichen Langhäuser, die typisch für hier sind und oft 200 m lang, aber nur 10 m breit, direkt unter dem Dach und genießen die Atmosphäre von Georgetown. Hier leben die drei vorherrschenden Ethnien von Malaysia seit Jahrzehnten auf engstem Raum zusammen: Malayen, Chinesen und Inder. Zusammen bilden sie die Malaysier.
Morgens weckt uns der Ruf des Muezzin, wenn wir nach unten in die Lobby kommen zündet der Inder, der den Sikh angehört gerade die Räucherstäbchen für den Hausgeist des chinesischen Besitzers an und sein Kollege, der katholische Inder verwickelt uns in ein kleines Gespräch. In unserer Straße reiht sich ein chinesisches Trading Gebäude an das andere und um die Ecke essen wir lecker Garlic Naan in Little India. Wir streunen durch die schönen Gassen im Kolonialstil, probieren viele der einheimischen Spezialitäten, schauen uns die beeindruckenden Clanhäuser der Nyonya Chinesen an, in denen diese ihre spezifische Kultur erhalten und -ganz pragmatisch- auch als Sportfeld nutzen:
Wir haben außerdem das Glück von Rajit abends auf der Straße angesprochen zu werden. Er lädt uns für den nächsten Tag zu einem indischen Fest ein. Die Straße, in der das Fest stattfindet, ist eine Parallelstraße unserer, doch als wir um die Ecke biegen, haben wir das Gefühl uns nach Indien gebeamt zu haben. Frauen in bunten und glitzernden Saris, Männer in den traditionellen weißen Sarongs, die für Feste bestimmt sind, überall der Geruch nach süßen Räucherstäbchen. Als wir uns Rajids Geschäft nähern, erkennt er uns sofort, wir werden nach drinnen verfrachtet, bekommen Frühstück und werden eigens aufgefordert nach draußen zu kommen, als das Spektakel beginnt. Es gilt 3000 Kokosnüsse zu zerschmetter. Es ist Brauch während des 3-tägigen Thaipusam Festivals die Kokosnüsse, die das eigene Ego symbolisieren auf dem Boden zu zerschmettern. Das weiße Innere steht für das reine, das göttliche, das universelle Selbst, das durch das Ego verdeckt wird. Wir machen gerne mit, müssen aber ein paar Kokosnüsse werfen bis Rajit zufrieden ist. Wir denken er geht auf Nummer sicher, man weiß ja nie wie groß das Ego eines anderen ist;)
Wir bedanken uns herzlich bei Rajit für diese Erfahrung und ziehen beglückt von dannen. Der Zug mit den Gläubigen wird uns an diesem Tag noch einige Male über den Weg laufen. Ab und zu werden die Ochsen, die die Priester auf ihrem silbernen Tempel ziehen ausgetauscht und überall köchelt leckeres Curry vor sich hin.
Malayen sagen uns oft, dass die Idylle nicht so idyllisch ist, wie sie aussieht und dass die Kinder der verschiedenen Ethnien auf verschiedene Schulen gehen, nicht untereinander heiraten und auch gegenseitig viele Vorurteile bestehen. Wir bekommen das nur am Rande und äußerst selten mit und sind immernoch fasziniert von diesem speziellen Mix auf engstem Raum.
Wir wollen gar nicht mehr weg aus Georgetown, den es gibt hinter jeder Ecke etwas Neues zu entdecken, doch noch 2 Tagen borden wir wieder die Fähre die uns auf die Insel gebracht hat und fahren zurück auf Festland und weiter Richtung Süden.
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