Nach Georgetown kommen wir immer näher an Kuala Lumpur, die Hauptstadt von Malaysia und damit in immer dichteren Verkehr, der uns neben der Hitze einiges abverlangt. Zum Glück gibt es zwischendurch immer lecker Malaysia-Erlebnisse, die uns trösten.
Es werden schweißtreibende Tage und unsere einzigen Pausen im Schatten sind Frühstück und Mittagessen, sonst gibt es unterwegs kaum eine Möglichkeit auszuruhen. Der Verkehr ist oft intensiv und wir werden vor allem in und um Städte ständig von Ampeln aufgehalten, deren Schaltung immer auf 90 Sekunden steht. Man fühlt sich wie im Backofen so ohne ein bisschen Fahrtwind. Wir steigen in irgendwelchen Städtchen ab und oft sind die Hotels ihr Geld nicht wirklich wert. Das einzige was uns rettet sind die Leckereien, die wir überall mühelos finden.
An einem Tag fahren wir mindestens 3 Stunden durch eine Baustelle, die eigentlich zu eng ist für uns und ein Auto, sodass es zu mehreren gefährlichen Situationen kommt. Am Ende dieses Tages sind wir fertig und kaputt, auch mental.
Wir wissen, es gut vielleicht schönere Straßen im Osten der malaysischen Hauptinsel, aber uns zieht es zu unserem Ziel, Yogyakarta, Indonesien. Wir möchten unsere Freunde sehen und haben nicht die Motivation bei diesem Wetter weiter viel Rad zu fahren. Doch wir werden überall sehr freundlich aufgenommen und man fragt dauernd wo wir hinwollen und wo wir herkommen.
An einem anderen Tag eiern wir dauernd an Ölpalmplantagen vorbei und kämpfen uns die Brücken hoch, die man in den Himmel zu bauen scheint.
Dann fahren wir am Flughafen von KL und am Formel 1 Gelände von Malaysia vorbei. Alles nicht ganz so hübsch. Oft sind auch die Straßen eng und wir haben keinen Seitenstreifen, der uns ein wenig Erholung und Platz verschafft. So sind wir kopftechnisch immer schnell fertig, obwohl das Terrain an sich nicht so anspruchsvoll ist.
Wir leiden also ganz schön während wir fahren und es macht uns ein bisschen reisemüde. So sehr, dass wir das geheimnisvolle Malakka nicht so richtig genießen können, weil wir so entnervt sind von den Straßen. Wir sind ausgelaugt und haben nicht so richtig Lust etwas anschauen zu gehen. Außerdem bekommen wir das erste Mal in lecker Malaysia ein schlechtes Frühstück. Wir sind entrüstet. Wir sind beide bedrückt und somit ist keiner da, der uns wieder aufmuntern könnte. Irgendwann gewinnt jedoch die Neugier wieder Überhand und wir besuchen ein Museum, das sich in einem 120 Jahre alten Haus befindet.
Die Besitzer sind immernoch Babas und Nyonyas. Das bedeutet ein Elternteil ist chinesisch, eines malayisch und die Kultur ganz eigen, da sie von beiden Urspungskulturen geprägt wird. Wir verlieren uns in den vielen spannenden Geschichten, die uns unser Führer aus dem Nähkästchen erzählt und sind wieder beeindruckt von dieser besonderen Mischung, die sonst nirgends auf der Welt erfahrbar ist und von dem prächtigen Haus und seinen wertvollen Einrichtungsgegenständen. Spiegel aus Venedig, Fließen und Geschirr aus England, Marmor aus Yunnan, China, Brautschmuck aus Batavia, dem heutigen Jakarta usw. Wir sind fasziniert von all den Familiengeschichten und davon, dass die Enkel immernoch die Frau verehren, auf die die Dynastie aufbaut. Die Malayin, die vor 120 Jahren den Chinesen geheiratet hat. Wir lieben Geschichten und all das gibt uns wieder neuen Mut, wir finden unser Mojo wieder.
Wieder auf dem Rad müssen wir auch zugeben, dass der Weg an diesem Tag gar nicht so ätzend ist. Und dann passiert, was früher oder später immer passiert. Dann wenn man es am wenigsten erwartet und genau aus diesem Grund am meisten schätzt. Die Menschen wenden sich uns zu. Zuerst werden wir zum Frühstück eingeladen von einem malayischen Ehepaar.
Später am Tag landen wir in Batu Pahat und werden von unserem Warmshower Tan Cher Lee empfangen, einem enthusiastischen Radler mit einem kreativen Geist. Er sprüht vor Tatendrang und interessanter Geschichten. Wir schlendern durch sein Städtchen und folgen seiner Empfehlung den chinesischen Nachtmarkt zu besuchen. Dort begegnet uns eine bezaubernde Chinesin, die uns nicht nur erklärt, was man essen sollte, sondern uns kurzerhand auch noch einlädt. Wir unterhalten uns ein Weilchen und ihr Charme ist unwiderstehlich. Wir sind so in die Unterhaltung verstrickt, dass wir uns gegenseitig nicht nach Namen fragen. Wir streifen das Leben des anderen nur für ein paar schöne Augenblicke und gehen dann wieder auseinander. Froh, diese Zeit miteinander gehabt zu haben. So erleben wir einen unglaublichen Tag in Malaysia. Und wurden wieder gerettet vor unserer Reisedepression. Von völlig fremden Menschen, die einfach mit offenen Augen und Herzen durch die Welt gehen. Die Lektion, die das radeln immer wieder lehrt: lass das Leben laufen und sei offen. Es kommt immer gut, auch wenns aus dem Tal manchmal nicht so aussieht.
Wir haben das Glück noch eine Einladung zu einer Warmshower zu bekommen. Nilam ist unsere erste weibliche Warmshower Host und sie ist ein Powerhaus. Ihr Tag beginnt jeden Morgen um 4:30 Uhr, dann bereitet sie das traditionelle Frühstück Nasi Lemak zu und verkauft es an ihrem Straßenstand. Tagsüber schreibt sie an ihren Büchern, hilft ihrer Mutter mit den Anliegen der Familie (sie hat 12 Geschwister), abends lehrt sie englisch. Trotzdem findet sie die Zeit uns deliziös zu bekochen, uns mit intelligenten Fragen zu bombardieren und nebenbei noch mit ihrer Tante zusammen einen Finnzplan für ein Hostel auszuhecken. Das Haus ihrer Familie liegt idyllisch ab von der Straße, inmitten des ländlichen Malaysia und wir können uns hier das Häuschen in traditionellem Baustil, das Gäste beherbergen soll, sehr gut vorstellen.
Nilam hat öfters Besuch von deutschen Radlern und sie fragt u.a. ob alle deutschen Vegetarier sind. Wir müssen lachen, weil wir davon aus unserer Sicht weit entfernt sind. Nilam jedoch hat über dieses Thema wohl schon öfters geredet und ist zu dem Schluss gekommen, dass unsere Regierung viel zur Aufklärung für weniger Fleischkonsum tut. Interessante Sichtweise. Bevor Nilam aufgehört hat in ihrem früheren Job zu arbeiten, war sie in der Tourismusbranche und viel unterwegs. Wir können viele Geschichten über die Türkei und den Iran austauschen. Was für eine Frau! Sie ist wie ihre Familie auch gläubige Muslima und da sie noch bei ihren Eltern wohnt und ich wahrheitsgemäß antworte, dass Daniel und ich nicht verheiratet sind, bittet Sie uns getrennt zu schlafen. Ihrer Mutter ist das Ganze ein wenig unangenehm und sie entschuldigt sich für die Unannehmlichkeiten. Ich lache und erkläre ihr auf indonesisch, dass ich es schön finde nach 314 Nächten auch einmal allein schlafen zu können. Wir müssen alle lachen und ich helfe Daniel das Moskitonetz vor dem Haus aufzubauen, unter dem er herrlich frisch nächtigen kann.
Nach einem außergewöhnlich leckeren Frühstück strampeln wir durch das Morgenlicht weiter Richtung Süden. Es wird unser letzter ganzer Radtag in Malaysia werden und er hat es nochmal in sich. Das Navi überrascht uns mit ein paar ungeteerten Straßen und einem heftigen Trail. Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist;)
Wir halten an einem kleinen Restaurant auf dem Dorf, um einen Kaffee zu trinken und treffen dort auf Darwin und seine Frau Roziati. Wir verwickeln einander in Diskussionen, die von der Nazizeit, über die verschiedenen Sozialsysteme unserer Länder bis hin zur Frage ob die Türkei nicht in die EU aufgenommen wird, weil die Sharia an manchen Orten durchgesetzt wird, reichen. Es ist immer wieder faszinierend, wie ein Land erst abgeschlossen ist, wenn man die Grenze übertreten hat. Nichts mit “wir verabschieden uns jetzt langsam mal und so”. Nein, es ist immer alles intensiv bis zum letzten Moment.
So verlassen wir lecker Malaysia wieder, seine interessante Mischung an Menschen und Geschmäckern. Das Radeln an sich werden wir hier sicher nicht vermissen. Aber die Menschen, die sich für ihr Land und das, was es ausmacht, interessieren. Wir werden es vermissen Roti Canai zum Frühstück bei einer muslimischen Mama zu essen, zu Mittag aus den vielen Currys bei einem Inder auswählen zu können und abends ein Bierchen bei einem Chinesen kaufen zu können. Wir werden es vermissen die einen über das Essen der anderen positiv reden zu hören. Leider konnten wir wenig über die hinduistische Bevölkerung von Malaysia erfahren. Außer in Penang, sind wir nie richtig mit ihr in Berührung gekommen. Auffällig ist, dass die chinesischstämmigen es verstehen ihre bewegte Geschichte auch für Touristen zugänglich zu machen, in Form von Museen und Führungen. Von den Malayen bekommen wir zu Anfang und gegen Ende mehr mit. Das hängt wahrscheinlich auch immer mit der eigenen Route zusammen und wer einem über den Weg läuft.
Unsere letzte Nacht verbringen in wir Johor Bahru, 6 km vor der Grenze zu Singapur. Es ist ein beliebtes Ziel für die benachbarten Singapurianer, da es deutlich günstiger ist, als das eigene Land. Ich muss an Konstanz denken und frage mich, ob Singapur auch deswegen die Schweiz von Asien genannt wird. Das Geld, das über die Grenze fließt ist jedenfalls sichtbar und wir sind erstaunt wieviele hippe Cafés, westliche Bäckereien und Brautmodengeschäfte es in unserer Straße gibt. Und dann heißt es – ab nach Singapur. Singapur ist zu diesem Zeitpunkt eher ein Transitland für uns, weil wir schnell nach Yogyakarta wollen und wissen wir werden hier nochmal Zeit verbringen, während wir auf unser Containerschiff nach Hause warten.
Ach ja, wir fahren mit einem Containerschiff ab Singapur bis nach Malta und machen von dort dann unseren Heimweg per Schiff und Zug. Es ist unserer Meinung nach die ökologischer Art nach Hause zu kommen – mal abgesehen von wieder zurückradeln, versteht sich.
Deswegen sind wir eher entspannt, als wir Singapur betreten – spannend ist das kleine Land aber natürlich trotzdem.
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