A la tavola

Während wir durch Kroatien, Serbien und Bulgarien fahren, fällt mir auf: jedes Dorf hat neben einem kleinen Supermarkt einen Laden mit “Agrotechnik”. In Serbien sehe ich vorrangig kleine Felder, die oft von Hand bestellt werden. In Kroatien und vor allem in Bulgarien reichen die Felder bis zum Horizont und darüber hinaus. Die Traktoren, die diese bestellen sind riesig. Das bringt mich dazu mich mal wieder mit einem meiner Lieblingsthemen auseinanderzusetzen: Essen.

Essen, ich meine wer tut das nicht gerne. Ich könnte jetzt stundenlang ausholen, was man wie und wann genießen könnte, aber ich mach´s kurz:  es ist nicht einfach einen vollen Terminkalender, eine gesunde Ernährung und gewisse Ansprüche an die Herkunft und Qualität von Lebensmitteln in einen Kochtopf zu bringen.

Klar ist: Unsere Entscheidungen beeinflussen nicht nur unsere Gesundheit und unseren Geldbeutel, sondern auch die Gesundheit anderer, sie haben Einfluss darauf wie Nahrungsmittel für uns hergestellt und transportiert werden. Und hier liegt auch unsere Chance richtig gute Entscheidungen zu treffen.

Drei Beispiele, die verdeutlichen sollen, warum ich mir so viele Gedanken über Essen mache:

Fleisch

Ich mag Fleisch, keine Frage. Aber eines ist klar. Es muss jemand sterben, damit ich es essen kann. Das muss man sich klar machen. Und wenn schon Fleisch, dann stört es mich unter welch grotesken Umständen es immer öfter produziert wird. Es fängt bei der Fütterung an. Kühe essen Gras. Denkt man. In Wirklichkeit führt eine wachsende Nachfrage nach Ackerland und der daraus resultierende Preis von Grünfutter dazu, dass weite Flächen tropischen Regenwaldes dafür gerodet werden Viehfutter in Form von Sojabohnen anzubauen. Dies wird dann um die halbe Welt geschifft und landet in unseren Ställen. Der CO2 Ausstoß, der dabei entsteht, wird noch einmal dadurch erhöht, dass Kühe Methan und noch mehr Kühe noch mehr Methan furzen, welches viermal so klimaschädlich ist wie CO2. Allein das wäre in Bezug auf die Verstärkung des Klimawandels betrachtet der Horror, ganz zu schweigen von dem Horror der Haltung der Tiere. Wiese, Platz, Herde? Fehlanzeige. Manche dieser Tiere sehen nie den Himmel, werden präventiv mit Antibiotika vollgepumpt und nach ihrem traurigen Leben von noch traurigeren Menschen in einem minutiös kalkulierten Prozess in Stücke zerhackt. Ich finde es ist keine Art so mit anderen Lebewesen umzuspringen. Und für wen das kein Argument ist: Du bist was du isst und ein trauriges Stück Antibiotika-Steak tut deinem Karma sicher nicht gut.

Gemüse und Getreide

Wahrscheinlich leidet eine Gurke nicht, wenn sie in einem Gewächshaus aufgezogen wird. Aber es gibt trotzdem verschiedene Qualitäten von Herstellung. Aus meiner Sicht muss man dazu folgende Dinge wissen: In Deutschland wachsen ohne Hilfsmittel keine Tomaten im Winter. Südspanien ist 4000 km von Deutschland entfernt und eine der wasserärmsten Regionen in Europa. Konventionell hergestelltes Gemüse und Getreide wird größtenteils aus Samen von Großkonzernen gezogen.

Nur um auf eines der genannten Dinge einzugehen: Konzerne wie Monsanto und Bayer (seit neustem der größte Agrarkonzern der Welt) versuchen Samen zu verkaufen, die sich nicht reproduzieren können. Also eigentlich im Sinne einer Natur, die sich ständig reproduziert völlige Verlierer, völlig überflüssig sind. Das allein wäre ja schon skandalös. Aber sie verkaufen dazu noch “Pfanzenschutzmittel”, welche Böden verderben und neben den Schädlingen auch alle Nützlinge töten. Stichwort Bienen-, Insekten und Vogelsterben in Europa. Durch die homogenen Sorten verschwinden außerdem Sorten von Getreide und Gemüse, die über Generationen an lokale Gegebenheiten angepasst wurden. Und warum das alles? Weil ein Konzern eben immer den Ertrag steigern will. Ja, auch den der auf dem Feld wächst. aber vor allem den, der am Ende des Jahres für die Shareholder bleibt. Kurzfristig gedacht, kann das mit den höhren Erträgen auf dem Feld stimmen, aber was passiert langfristig, wenn sich das Wetter durch den Klimawandel ändert, Monsanto beschliesst das Saatgut zu verteuern oder Langzeitstudien zeigen, dass die Pflanzenschutzmittel nicht nur Böden degradieren sondern auch Auswirkungen auf die Menschen, die sie benutzen und die Umgebung haben? Aktuelles Beispiel: Glyphosat.

Kaffee/ Tee/ Bananen

Nichts davon wächst in Deutschland und trotzdem sind diese Dinge alltäglich für uns. Etwas das auf der anderen Seite der Welt wächst, ist alltäglich für uns. Wenn man diese Strecke mit dem Tandem zurücklegt, wird einem bewusst, wie weit das ist. Teilweise werden sie unter prekären Bedingungen angebaut und geerntet, dann um die halbe Welt geschifft und landen zu Billigpreisen bei uns im Supermarkt. Da kann doch was nicht stimmen. Bioobst aus sonstwo ist für mich übrigens auch keine Option. Da ist dann zwar die Anbauart in Ordnung aber über sozialen Standards und den CO2-Footprint sagt mir das nichts.

Meine Devise deshalb ganz grob: regional, saisonal, bio und fair.

Man muss dazu sagen: Ja es ist anstrengend. Aber es macht auch Freude. Zum Beispiel wenn man sein Obst und Gemüse auf dem Markt einkauft. Zum Glück gibt es in Konstanz wunderbare Wochenmärkte, auf denen ich regionale und Lebensmittel kaufen kann. Das schöne daran: keine Verpackung, ich kann von allem so viel kaufen, wie ich brauche und man gibt mir die leckersten Rezepte direkt mündlich mit auf den Weg. Ein kleines Schwätzchen und oft die Möglichkeit wieder etwas neues zu entdecken und zu lernen.

Eine weitere Option: das eigene kleine Gärtchen: es hebt die Wertschätzung für Gemüse, das man mühsam gehegt und gepflegt hat und bringt ganz neue Geschmacksserlebnisse.

Für alles andere: ein “Kolonialwarenladen” nach altem Vorbild, in dem ich einfach ein paar wunderbare regionale Produkte in den Mengen kaufen kann, die ich will und meine Verpackung selber mitbringe, so wie es z.B. in Markdorf, Winterthur, Berlin, London möglich ist. Solange das nicht geht, kaufe ich meine Sachen im Bioladen oder anderen kleinen Supermärkten ein. Dabei bleibe ich meinem bio, regional, saisonal, fair Gedanken so lange treu wie es geht. Als ich damit angefangen habe, habe ich einfach pro Produkt die beste Alternative gesucht und nach und nach alle Lebensmittel optimiert. Das bedeutet für mich eine Vereinfachung meiner Einkäufe,  wenn es schnell gehen muss. Wenn ich Zeit und Lust habe Neues auszuprobieren, ist das auch jederzeit möglich und ich entdecke immer wieder neue Nuancen.

Ich denke es muss möglich sein sich gesund, bunt und abwechslungsreich zu ernähren ohne anderen die Möglichkeit zu nehmen für sich zu sorgen, ohne Degradierung von Böden und Massentierhaltung. Ich bin für eine lustvolle, genussvolle Ernährung mit Rücksicht auf andere. Und ich bin bereit dafür Geld, Zeit und Gedanken zu investieren.

Wie wir das auf der Reise machen? Vor allem offen bleiben, versuchen in kleinen regionalen Läden die saisonalen Früchte und Gemüse einzukaufen, das zu wählen, was auch die Einheimischen essen und immer den Daumen zu zeigen, wenn man mir sagt: Guck, das kommt aus meinem Garten/ von meiner Kuh/ von meiner Omi vom Land. Auf dem Balkan und der Türkei gibt es diese kleinen Läden noch, aber der Preisdruck von den Ketten wird immer größer. Das ist so schade, denn es ist genau das, was ich so schätze: in den kleinen Läden die einheimischen Produkte kaufen und damit Vielfalt, Handwerk und lokale Strukturen unterstützen.

In diesem Sinne: A la tavola!

 

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