In unserem Ecocheck #1 haben wir uns mit den Themen Essen und Menschen auseinandergesetzt. Jetzt geht es um die Themen Minimalismus und Transport. Beides kann die CO2-Bilanz ganz schön übel aussehen lassen.
Weniger ist mehr
Dieses Credo begleitet uns ganz natürlich auf unserem Tandem – weil wir zu zweit genausoviel Stauraum haben, wie ein einzelner Radfahrer. Glücklicherweise besitzen wir durch unsere endlosen Bergtouren bereits leichtes und vielseitig einsetzbares Equipment. Dadurch werden unsere Packtaschen deutlich entlastet. Neben Zeltausrüstung und Klamotten für jedes Wetter, haben wir noch ein Beutelchen technischen Schnickschnack dabei und natürlich jeder einen Kulturbeutel.
In meinem findet sich ein Shampoo, das auch für den Körper verwendet wird, eine Zahnpasta, Zahnseide und eine Mini-Gesichtscreme. In Daniel’s größerem Beutel (ja größer, weil ich davon auch profitiere;)) gibt es noch Sonnencreme, Rasierstift anstatt Rasierschaum, Rasierklingen, Ohrenstäbchen und Kontaktlinsenmittel. Das wars. Ich habe mir auf der Reise abtrainiert andere Cremes zu verwenden, auch auf Deo verzichte ich ab Aserbaidschan – und keiner rümpft die Nase darüber – oder lässt es sich zumindest nicht anmerken. Ab und zu müssen wir natürlich neue Zahncreme kaufen. Dabei träume ich von ökologischen und palmölfreien Produkten. Wir kaufen, was es gibt.
Dann wäre da noch das Thema Klamotten. Zuhause kaufe ich, wie meinem Beitrag Leute machen Kleider entnehmen könnt, seit nun 3 Jahren nur faire und Ökomode oder gebraucht. Zum ersten Mal zur Herausforderung wird das vor dem Iran. Dort brauche ich zwei lange Oberteile, die meinen Po bedecken. Diese kaufe ich in weiser Voraussicht im georgischen Tiflis Second Hand, noch bevor wir den Iran betreten. Das eine bleibt im Hotelzimmer im Iran, als wir nach Turkmenistan ausreisen, das andere darf mit und bekommt in Almaty eine professionelle Überholung von einer Schneiderin. Genau wie eines von Daniel’s Shirts. Reparieren statt wegwerfen.
Kleine Ausbesserungen können wir selbst machen: Socken stopfen, Hosenböden wieder zusammenpfriemeln, Knöpfe annähen und weiter geht es. Manche Dinge bekomme ich auch geschenkt, wie Socken oder ein Kopftuch. Da frage ich nicht, wo das herkommt. Ein zweites Kopftuch kaufe ich in der Türkei, kann aber nicht zurückverfolgen wo es herkommt und wer es gemacht hat. Also heißt die Devise: so lange tragen, wie es geht, damit wenigstens ein kleines ökologisches Kriterium erfüllt ist. In Usbekistan kaufe ich außerdem eine Jacke für Zuhause mit dem traditionellen Ikat Muster. Es ist aus der Baumwolle, deren Anbau den Aralsee austrocknet, gleichzeitig sehe ich der älteren Dame zu, wie sie die Jacke selbst näht. Soziales Kriterium und fairer Lohn check, ökologisch ein Desaster. Nachhaltigkeit ist voller Zielkonflikte, die man mit sich selbst ausmachen muss.
Verschleiß
Unser Tandem ist zwar überhaupt keine Diva, braucht aber so einige Ersatzteilchen, um mit uns all die Abenteuer zu bestehen. So finden wir uns eigentlich jeden Monat in irgendeinem mehr oder weniger professionellen Radladen wieder, weil wir Ersatzteile brauchen. Woher die kommen und wer die macht, ist in diesem Sektor auch in Deutschland eher unklar und so gibt es auch wenig Möglichkeit hier eine nachhaltig-motivierte Entscheidung zu treffen. Wir wollen aber wieder den lokalen Laden unterstützen und bestellen deshalb nur einmal ein Paket aus Deutschland. Vorrangig weil Daniel die festen Winterradelschuhe nirgends anders findet.
Kettenöl ist außerdem unser unverzichtbarer Helfer, den wir immer neu beziehen müssen. Nach unserem tollen Bioöl von Green Oil, das wir noch im Globetrotter in Deutschland kaufen, bekommen wir überall nur noch synthetisches Öl, d.h. auf fossilem Ausgangsmaterial basierendes Öl. Das ist ein Problem, weil das Öl sich natürlich nach und nach löst, wenn wir z.B. durch einen glasklaren Wildbach fahren und somit ungehindert in die Natur gelangt. Da haben wir einfach keinen Bock drauf, können es aber nicht verhindern.
Transport
Man könnte jetzt denken: Transport ist ja kein Problem, ihr seid ja mit dem Rad unterwegs. Zum größten Teil stimmt das auch, aber es gibt trotzdem Momente, in denen wir Transport benötigen. Sei es um über das Wasser von Singapur nach Indonesien zu gelangen, um unsere Reisepässe zu bekommen, Andenken nach Hause zu schicken oder uns selbst oder das Tandem nach Hause zu verfrachten.
Wir haben alle 3 Monate ein kleines Paket geschickt, in dem Erinnerungen oder Geschenke nach Hause versendet wurden . Im Iran war keine Schiffsfracht verfügbar, in China wollten wir es noch vor Weihnachten schaffen (ist bis heute nicht angekommen), so sind die Pakete per Luftfracht geflogen. So ein Mist. Das Paket aus Usbekistan und unsere Pässe, die wir für Visa nach Deutschland senden mussten, sind einmal nach Deutschland und zweimal von Deutschland zurück mit lieben Menschen geflogen. Aber sie sind geflogen. Einzig das Paket aus Indonesien konnten wir per Schiff versenden.
Und das mit den Schiffen ist ja auch so eine Sache. Das ist uns durchaus bewusst. Wir sind mit dem Frachtschiff von Singapur nach Malta gefahren, damit wir nicht fliegen müssen und wurden deshalb von vielen belächelt bis kritisiert. Deshalb möchten wir das Thema nochmals vertieft betrachten:
Es stimmt, Transport allgemein macht fast ein Viertel aller von Menschen verursachten CO2-Emissionen aus, wie die Graphik des International Panel on Climate Change (IPCC) zeigt:
In der Aufsplittung der verschiedenen Verkehrsmittel in der Mitte ist dann zu sehen, dass Flugverkehr und Schifffahrt mit jeweils etwas über 10 % einen ungefähr gleichwertigen Anteil an dem absoluten Ausstoß von CO2 haben. Wenn es jedoch darum geht, welche Art des Transports relativ betrachtet CO2 – intensiver ist, dann hat das Frachtschiff die Nase deutlich vorn. Dies hat zwei Gründe:
- Ein Frachtschiff fährt nicht wegen den Passagieren, sondern wegen der Fracht.
„Das Flugzeug fliegt ja eh.“ ist ein gern benutztes Argument, wenn es darum geht sich für einen Flug zu rechtfertigen. Für den Flugverkehr stimmt es nicht, aber auf den Schiffsverkehr trifft es zu. Flugzeugreisen sind konsequent an den Bedürfnissen der Passagiere orientiert und werden zusammengelegt oder gecancelt, wenn nicht genügend Flugwillige zusammenkommen. Als Passagier hat man eine Lobby – am Flughafen und im rechtlichen Sinne und kann sich wehren, wenn der Vogel nicht wie geplant fliegt .Ein Frachtschiff hingegen fährt nicht wegen der drei Passagiere, die eine horrende Summe dafür bezahlen mitfahren zu dürfen. Sondern es fährt für die 10 000 Container und deren millionenschweren Inhalt. Als Passagier ordnet man sich klar der Fracht unter. Sei es im Hinblick auf die Abfahrts- oder Ankunftszeiten des Schiffes, die wiederum den Bedürfnissen der Frachtkunden folgen oder der Abgabe der eigenen Rechte sobald man ein solches Schiff betritt. Mit anderen Worten, es fährt, weil wir konsumieren möchten. Wer also die Reduktion der Emissionen von Frachtschiffen fordert, der sollte seine Konsumgewohnheiten überdenken. Billigkleidung aus China, mal schnell was bei Amazon bestellen, die lieb gewonnene Banana – all das kommt per Frachtschiff über die Weltmeere.
2. Ein Frachtschiff hat eine bessere CO2-Bilanz wenn man den Ausstoß pro Tonne betrachtet
Wie die Graphik des Verkehrsclub Österreich von 2009 zeigt hat ein Hochseeschiff eine um 10 000% bessere CO2-Bilanz pro Nettotonnenkilometer als ein Flugzeug. Das liegt an der enormen Größe eines Frachtschiffes und der effizienten Platzaufteilung. Container brauchen eben keine Beinfreiheit.
Unbestritten ist dabei natürlich, dass ein Frachtschiff andere Stoffe produziert, wie Schwefeldioxid (siehe Grafik der Kieler Nachrichten unten) oder Feinstaub, der dem Klimawandel zuträglich und der Gesundheit abträglich ist und dass wir Wege finden müssen unseren Güterkonsum zu reduzieren und die Schifffahrt in Bezug auf Emissionen- und Lärmreduktion sowie Energieproduktion effizienter zu gestalten.
Warum wir das alles aufdröseln? Um klarzumachen, dass wir hier und jetzt an einer der wichtigsten Kreuzungen unseres (Über-)Lebens stehen. Uns ist das manchmal schmerzlich bewusst, wenn wir den vielen Folgen des Klimawandels, des Artensterbens und der damit verbundenen kriegerischen Auseinandersetzungen begegnen. Europa ist heute vielleicht noch nicht so betroffen, dass jeder Einzelne von uns es deutlich spürt, aber das wird noch kommen.
Deswegen haben wir beschlossen zu geben, was wir können, ohne dabei dogmatisch zu werden. Mit dem Frachtschiff nach Hause zu fahren ist der Beitrag zu einer globalen Verantwortung, den wir geben können – den es ist einer der größten Hebel. Wer nämlich einen Langstreckenflug macht, der muss ein Jahr lang auf seinen Mittelklassewagen und 12.000 gefahrene Kilometer verzichten, damit die Bilanz wieder stimmt. Auch die fleischlose Ernährung kann das nicht ausbügeln – dazu gerne auch den heiter aufgemachten Artikel von Marius Hasenheit auf Bento lesen.
Wie gesagt, unsere Einstellung zu Themen der Nachhaltigkeit ist, wir geben was wir können. Das ist mal mehr, mal weniger stringent und manchmal ist es anstrengend und riecht übel nach Besserwissergrüngutmenschentum. Aber es ist das, mit dem ich leben kann und mit dem ich diesem wunderschönen Planeten – und euren Enkelkindern – ein wenig davon zurückgeben kann, was er mir schenkt. (Über-)Leben.
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