Endlich Indonesien #2

Nachdem wir den Willkommens-Paukenschlag von Jakarta überstanden haben, starten wir am chinesischen Neujahr, einem Feiertag, um die 20 km bis zu unseren Freunden in Jakarta zu radeln. Es läuft richtig gut, im Vergleich zum sonstigen Verkehrsaufkommen ist praktisch nichts los auf den Straßen und so stehen wir eine Stunde später vor der Haustür von Viola und Daniel.

Viola ist eine alte Studikollegin aus dem Bachelor und lebt nun schon seit ein paar Jahren zusammen mit Daniel, der chinesischstämmiger Indoesier ist in Jakarta. Die beiden haben zwei Kinder, Mila und Noem. Es ist einfach nur herrlich ein paar alte Freunde wiederzutreffen, in der letzten Zeit haben wir nur neue gemacht und wir freuen uns auch ein wenig Zeit mit ihnen verbringen zu können, weil ihre Aufenthalte in Deutschland oft kurz sind und wir sie dann meist nicht sehen.

Viola nimmt uns trotz unserer verschwitzen Körper herzlich in den Arm, quartiert uns in unser Deluxe-Gästezimmer ein und bereitet dann erstmal ein atemberaubendes Frühstück zu, bei dem wir sofort in Geschichten und Erzählungen einsteigen.

Nachmittags besuchen die 4 das Haus der Großmutter von Daniel. Chinese New Year ist vergleichbar mit einem der großen Familienfeiertage in Deutschland und wir freuen uns schon abends mit zu den Feierlichkeiten zu dürfen. Vorerst sind wir aber mehr als dankbar in die Kissen des kuscheligen Sofa zu sinken, ein Buch zu lesen und den Blick über Jakarta zu genießen. Wie sind nämlich ganz schön platt von unserem Wasser-Abenteuer vom Vortag.

Abends darf ich aus Violas geschmackvollen Kleiderschrank wählen, man muss nämlich rot tragen am Chinese New Year und Daniel stattet auch Daniel komplett aus, sodass wir beide vorzeigbar sind am Ende. Die ganze Familie hat sich in einem Separee zusammen gefunden, alle tragen rot und es wird herzhaft gegessen. Nach dem Essen wird ein wenig Karaoke gesungen und ganz am Ende kommt das, was einer von Daniels Cousins als “die beste Geldwäsche der Welt” bezeichnet:

Das älteste verheiratete Paar stellt sich in die Mitte des Raumes und beginnt kleine Briefumschläge an die Familienmitgleider zu verteilen. Dabei geht es ebenfalls streng nach der Reihe, begonnen wird bei dem ältesten, verheirateten Paar inklusive Kindern, bis hin zu dem jünsten unverheirateten Familienmitglied. Die, die die Umschläge erhalten machen dabei die typische Handbewegung und wünschen den Älteren ein gutes, neues Jahr.

Daniel und ich schauen aus einigem Abstand dem Schauspiel begeistert zu. Wir sind so happy so etwas miterleben zu dürfen. Als Viola und Daniel dran sind winken sie auch uns heran, wir halten das für einen Witz und lachen. Sie kommen aber später trotzdem zu uns und wir bekommen auch einen solchen Umschlag – einfach um zu fühlen wie das ist. Wir sind glücklich und schauen weiterhin gebannt auf die immer noch laufende Verteilung.

Plötzlich kommt einer der Onkel von Daniel auf uns zu und übergibt uns ebenfalls Umschläge. Protest nutzlos, wir sagen brav Xiexie, obwohl das natürlich überhaupt nicht nötig gewesen wäre. Wir waren so ja schon glücklich um die Erfahrung. Wir versuchen den Umschlag an die Kinder weiterzugeben, weil uns ein Chinese in Malaysia erzählt hat, dass man das oft tut, damit das Geld in der Familie bleibt. Er hat leider vergessen zu erwähnen, das das nur für verheiratete Paare gilt. Diskriminierung;)

Als Abschluss des Abends gibt es noch ein Gruppenfoto und sogar dabei dürfen wir mitten in die chinesisch-indonesische Großfamilie. Es ist ein Feuerwerk aus rot und Blitzlichtgewitter um uns und wir freuen uns unglaublich da zu sein.

Auf der Heimfahrt zählt Mila auf englisch und deutsch auf über hundert, dann bin ich dran mit indonesisch. Es ist der schöne Abschluss eines wunderbaren Tages.

Wir sind nur 3 ganze Tag bei Viola und Daniel, aber wir nutzen die Zeit zusammen. Viola backt einen “Träubleskuchen” -mit Sahne!-für uns, wir basteln abwechselnd mit Mila und spielen fangen mit Noam und fühlen uns sehr zu Hause. Viola war bereits im Studium eine begnadete Köchin und Bäckerin und ich der größte Fan ihrer Kreationen. Ich liebe es immernoch, wie sie mit dem ganze Oberkörper in die Gefriertruhe im Supermarkt hängt, um nach “Träuble” zu forsten und wie ihre schlanken Hände den detailreich gedeckten Tisch vollenden.

An einem Abend gehen wir hübsch aus, ich bekomme wieder freien Zugang zum Kleiderschrank, werde geschminkt und darf die höchsten Schuhe ausführen – manchmal ist es einfach herrlich eine Frau zu sein. Wir gehen schön essen, Violas Daniel hat deutsch ausgesucht und es schmeckt wirklich sehr authentisch, dann noch auf einen Absacker in eine neue Bar.

Ansonsten reden wir ununterbrochen. Wir haben uns viel zu erzählen, es hat sich viel verändert seit dem Studium. Es sind tiefsinnige, offene, wichtige und offenbarende Gespräche und wir sind alle traurig, als Daniel und ich uns eines Morgens wieder auf das Tandem setzen. Die Zeit war intensiv und ich freue mich, dass ich wieder einen Wimpernschlag mit den vieren verbringen durfte. Es sind seltene und deswegen kostbare Momente. Am meisten gefreut habe ich mich vielleicht darüber, dass Mila deutsch mit mir geredet hat. Sie wächst dreisprachig auf und im Deutschen fühlt sie sich nicht so sicher wie in den anderen beiden. Deswegen sehe ich es als großen Vertrauensbeweis, dass sie in ihrer ernsthaften und gleichermaßen bezaubernden Art deutsch mit mir gesprochen hat, ganz selbstvergessen und natürlich. Vielleicht dachte sie aber auch einfach nur, wer nicht weiß was Strumpfhose auf englisch heißt, der versteht vielleicht auch sonst nicht so viel und hat sich deshalb geopfert, um mir eine Freude zu machen.

Ich durfte in Jakarta außerdem eine alte Arbeitskollegin von Logwin treffen, wo ich ein Praktikum begonnen habe, als ich vor 9 Jahren hier war. Adeline ist ein Powerhouse. Sie war schon bei Logwin im Sales und so professionell und unwiderstehlich, dass sie immer sehr gute Verkaufszahlen vorzuweisen hatte. Inzwischen hat sie zwei süße Mädels und ist auch nicht mehr die Partymaus, die wir früher beide waren. Geblieben ist ihre für eine Indonesierin erstaunlich direkte und ehrliche Art. Das habe ich immer geschätzt an ihr. Hera, die dritte im Bunde lässt sich eine Stippvisite auch nicht nehmen und so sitzt Daniel zwischen 3 Hühnern, die über alte und neue Zeiten blabbern und es herrlich finden. Zumindest versteht er, die beiden reden wunderbares englisch.

Und wir machen einen kleinen Ausflug in den Stadtteil Setiabudi, in dem ich ein  halbes Jahr gewohnt habe. Trotz immenser Veränderungen, kann ich mein altes Kost,in dem ich ein Zimmer mit eigenem Bad hatte, noch finden. Es hat neue Besitzer und ich kenne niemanden mehr, der dort wohnt. Trotzdem bittet man uns herein und ich darf mich umsehen.

Dann beginnt unsere letzte Woche auf dem Tandem, quer durch Java. Wir sind gespannt. Daniel werden wir jedenfalls öfters wiedertreffen. Er ist auf fast jedem Laster, der an uns vorbeizieht.