Wir waren 2 ½ Monate in Zentralasien, haben alle Länder darin – außer Afghanistan – besucht und vermissen es bereits bevor wir es verlassen haben. Eine kleine Zusammenfassung darüber, was diese Region für uns so besonders macht:
Gastfreundschaft superb
Zentralasiens Menschen blicken auf eine lange Gasttradition zurück, die von ihrer nomadischen Herkunft stammt. Selten wurden wir auf unserer bisherigen Reise so verwöhnt und das oft unter erschwerten Umständen: alles Wasser wurde für uns herangeschleppt, man kochte für uns auf dem Feuer, hat uns hausgemachte Mante zubereitet, wollte ein Schaf für uns schlachten, bot uns oft die besten Fleischstücke an, ganze Familien sind für uns zusammengerückt, damit wir einen Platz zum Schlafen oder gleich ein ganzes Zimmer bekommen – die Liste wäre endlos weiterführbar. Bemerkenswert finde ich wirklich, dass sie sich dies auch bewahrt haben. In einer Welt, in der Fremde immer öfter als etwas Bedrohliches gelten und mit Misstrauen betrachtet werden, öffnen diese Menschen ihre Häuser und Herzen für uns. Es ist so entwaffnent einfach, aber genau das ist es, was uns oft in unserer idividualisierten Welt fehlt: der Austausch, das auf einander zählen können, das Geben ohne zu erwarten. Es macht uns demütig und wir fühlen die wahre Freude aufrichtiger Begegnungen.
Chaichaichai?
Tee ist das allgenwärtige Getränk in dieser Region. Er wird aus Schalen getrunken und steht stets bereit, falls Gäste kommen. Von Turkmenistan bis Kasachstan werden wir, wie wir es aus der Türkei kennen, stets zum Chai eingeladen. Bis Tadschikistan gab es nur Schwarztee, dann kann man zwischen schwarzen und grünem wählen. Im Süden Kirgisistans gibt es dann wieder eine Teegrenze, nach der nur noch Schwarztee verfügbar ist.
Das Erbe der Sowjetunion
Spannend war für uns außerdem, dass all diese Länder einmal Teil der Sowietunion waren und recht gleichzeitig ihre Unabhängigkeit deklarierten. Die Spuren sind heute noch gut sichtbar und betreffen unterschiedliche Bereiche:
Politisch und wirtschaftlich:
Turkmenistan, Uzbekistan, Tadschikistan und Kasachstan sind seit der Unabhängigkeit mehr oder weniger bei den gleichen autoritären Füherern geblieben, die das Leben der Bevölkerung unterschiedlich stark kontrollieren und unterschiedliche Schwerpunkte bei der Führung der Staaten setzen. Turkmenistan z.B. ist komplett abgeschottet, dem Großteil der Bevölkerung kommen jedoch die reichen Ressourcen des Landes zugute. Tadschikistan ist offen für die Außenwelt, aber trotz des natürlichen und Rohstoffreichtums das ärmste Land der einstigen Sowietstaaten und somit Sammelplatz ausländischer NGOs. Einzig Kirgisistan hat es zu einer Demokratie gebracht und seinen Tourismus früh entwickelt.
Gesellschaftlich
Unserem Gefühl nach sind die Kasachen am meisten “russifiziert”. Sie habe das kyrillische Alphabet übernommen und schauen als einziges der Länder bei wichtigen Entscheidungen immernoch positiv nach Russland. Uns fällt bei unserem kurzen Besuch auch auf, dass hier ethnische Russen und ethnische Kasachen bunt gemischt sind. In Kirgisistan hatten wir eher ein getrenntes Bild vor Augen. Ethnische Russen leben eher in den Städten und haben eher bessere Jobs, auf dem Land haben wir so gut wie nur ehtnische Kirgisen gesehen. Davor haben wir eher wenige “Bleichgesichter” gesehen, die uns meistens in russischen Restaurant begegnet sind. Damit kommen wir auch zum nächsten Bereich:
Essen
Der russische Einfluss ist in Kasachstan omnipräsent. Überall gibt es russische Kantinen, Restaurants und Clubs. In Kirgisistan haben wir dies nur in den Städen gesehen. In Tadschikistan gab es in der Hauptstadt solche Orte. In Usbekistan und Turkmenistan konnte man russische Restaurants ab Kleinstädten finden. Diese waren immer eine willkomme Abwechslung für uns von den sonst doch sehr eintönigen 5 zentralasiatischen Klassikern. Ein schöne Tradition begleitet uns durch komplett Zentralasien: egal ob im Restaurant oder zuhause, als allererstes bekommen wir immer heißen Tee und eines der runden Brote. Diese sind oft hausgemacht und die Gastgeber brechen sie für uns. Es ist immer das Gefühl von nach-Hause-kommen und Willkommen-sein damit verbunden und wir vermissen es direkt, als wir die Region verlassen.
In den Geschäften in allen Ländern ist uns aufgefallen, dass es überall fast dasselbe gibt. Ob die offenen Kekse, die die Ladenbesitzer für uns aus den grossen Kartons abwiegen oder die Milch, die zwar in Landessprache beschriftet ist, aber immer von derselben Marke kommt. Wir fragen uns beizeiten, ob sich Russland durch seine sowietische Vergangenheit nicht einen richtig hübschen Absatzmarkt geschaffen hat. Daneben dürfen die westlichen “Errungenschaften” wie Cola und Snickers natürlich nicht fehlen, die den Radler über den letzten Pass des Tages helfen.
Sprache
Wenn wir mal etwas recherchiert hätten vor unseer Abreise, dann hätten wir russisch und türkisch gelernt. Das russische hätten wir aufgrund der Sowietvergangeneheit von Georgien bis Kasachstan nutzen können (mit Ausnahme des Irans), türkischstämmige Sprachen werden ab Azerbaidschan bis einschließlich Kasachstan gesprochen (wieder mit Ausnahme des Iran und diesmal auch Tadschikistan- dort konnten wir unser persisch wieder verwenden.) Für ein wenig Geplänkel reicht aber erstaunlich oft einfach deutsch, weil so viele Menschen in Zentralasien diese Sprache aus für uns unerfindlichen Gründen sprechen. Okay, einen Grund haben wir doch gefunden: Viele sagen uns, dass sie früher einmal in Deutschland stationiert waren, als es die DDR noch gab. Und heute lernen viele deutsch, weil sie gerne dort arbeiten würden.
Lebensstaandard
Diese Lebensstandard Diskussion finde ich ja immer müsig, weil es aus meiner Sicht über einer Grundsicherungs-Grenze, die Nahrung, medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf und Bildung miteinschließt darauf ankommt, was man gewohnt ist und wie reich man sich selbt fühlt, anstatt dass irgendwelche Touris das bewerten. Wir sind schon ein wenig auf der Welt herumgekommen, aber schockiert hat uns, wie oft wir nach schmerzstillenden Tabletten für Zahnbeschwerden gefragt worden sind. Der Mut zur Lücke oder aber ein Goldzahn haben in Osteuropa begonnen und haben uns – außer im Iran – nie wieder verlassen. Besonders prekär war die Lage aber in abgelegenen Gegenden in Tadschikistan. Dort versucht man die Schmerzen einfach so lange zu ignorieren oder zu unterdrücken, bis der Zahn verfault ist. Es tut mir im Herzen weh bereits 15-jährige Mädels zu sehen, denen fast die kompletten Backenzähne fehlen. Wir führen das auf zu viel Süßkram und zu wenig medizinische Aufklärung zurück. Wir werden oft verdutzt beäugt, wenn wir unsere Zähne in einem Homestay morgens und abends putzen.
Das zweite, was uns mit der Zeit zu schaffen macht sind tatsächlich die Plumsklos. Es ist nicht der Weg, die Kälte oder die Tatsache, dass das stille Örtchen oft nicht mit einer schützenden Tür versehen ist, sondern die manchmal wirklich marode Bauweise, inklusiver freier Sicht und Geruchsbildung der darunterliegenden Thronergebnisse vieler, vieler Vorgänger. Wir waren einmal in der Region Ladakh in Indien und dort gab es auch nur Plumsklos, aber diese waren wohl überlegt und es gab eine Schaufel und Erde um das ganze mit einem Schaufelhieb zu bedecken. So bekam man einen warmen, erdigen Geruch und es war einfacher das Ganze als Dünger wiederzuverwenden.
Religion
Die meisten der zentraasiatischenn Staaten hatten Naturreligionen, bevor der muslimische Glaube Einzug gehalten hat. In den allermeisten Fällen ist die Ausführung eine moderate, pragmatische, mit einem schnellen sich-über-das-Gesicht-fahren-und-Allah-danken nach dem Essen und einem locker gebundenen Schal um den Kopf. Daneben werden noch traditionelle Bräuche gepflegt, wie z.B. der Brautklau, bei dem das Mädchen – vereinbart oder völlig ahnungslos – von ihrem zukünftigen Ehemann gekidnapped wird. Die Scham darüber, was im Haus des Bräutigams passiert sein könnte, erfordert dann eine schnelle Heirat. Der Brauch ist aber glücklicherweise auf dem absteigenden Ast.
Natur
Von den Wüsten in Turkmenistan und Usbekistan, über die Steppe in Kasachtsan, die unglaublichen Hochtäler des Pamir in Tadschikistan bis hin zu der schier unglaublichen Kulisse in Kirgisistan: Zentralasien bietet unglaublich vielfältige Landschaften, deren schiere Weiten für uns Europäer einfach nur unfassbar sind.
Doch diese Natur wäre nicht so beeindruckend ohne die Wärme die die Häuser und Jurten und deren Bewohner bieten. Wir sind immernoch voller Dankbarkeit über die Offenheit, die uns zu zuteil wird. Und wir freuen uns über die Farben, die die Menschen zum Gesamtbild beitragen. Sattes rot, lila und gelb, mit Perlen und Glitzer verziert für die Frauen, kleine Käppchen für die Männer. Als wir bereits in China sind und Zentralasien vermissen, bietet uns das Xingjang Museum in Ürümqi nochmals einen Überblick über alle Ethnien, die wir in Zentralasien gesehen haben. Wir lassen sie revue passieren und werden ganz sentimental. All diese bunten, satte Farben, all diese verschiedenen Hüte, all diese aufgeschlossenen Gesichter, als diese Natur. Wir werden sie vermissen!
Nochmal alle Bilder genießen? Dann hier lang bitte.
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