Nach den verzauberten Tagen in Bukhara, stürzen wir uns wieder in Abenteuer abseits der üblichen Touristenrouten, in dem wir leider nicht den Weg in Richtung Samarkand, der berühmten Stadt auf der Seidenstraße, sondern den direkten Weg nach Duschanbe, über das ländliche Usbekistan nehmen.
Kurz nach Bukhara und zurück im harten Sattel des Lebens haben wir erstmal einen Platten. Unser arg heruntergefahrener Mantel hat einen hübschen Schlenzer und die schlechtesten Straßen der bisherigen Reise tun ihr übriges, um unseren Schlauch zu zerbröseln. Also Pannenbehebung und weiter. Wir machen gegen Mittag halt an einem Restaurant und schaffen es nur mit Mühe etwas zu essen zu bestellen, weil man partout nicht versteht, dass wir leider kein russisch sprechen. Nach unserer von der Mittagshitze verordneten Pause radeln wir weiter und finden uns mal wieder in einer völligen Wüstenlandschaft. Dies Straßen geben der Hitze auch nach und bilden Hubbel, von denen wir ordentlich durchgeschüttelt werden. Wir passieren einige Polizeikontrollen, bei der ein Polizist seine einzigen deutschen Wörter zum Besten gibt: “Hände hoch”. Ich folge brav, Daniel lacht nur – wir dürfen trotzdem weiter strampeln. Gegen 6 bekomme ich einen Bärenhunger und wir halten an einem Restaurant. Auch hier gibt es leider nur ziemlich viel Tier und Daniel würgt es sich entnervt runter. Ich habe mich dem ergeben und esse einfach.
Kurz nach dem Abendessen schlagen wir uns dann auch in die Hecken oder besser hinter die Dünen und schlagen unser Zelt auf. Man hat uns vor Wölfen gewarnt und wir campen mit ein wenig Abstand vom Wasserloch, um keinen Tieren in die Quere zu kommen. Nachts weckt uns dann ein komisches Geräusch. Ich bin gespannt wer es erkennt:
Unglaublich aber wahr, ein kleines Kätzchen mauzt herzzerreißend vor unserem Zelt. Erst denken wir sie hat eine Krankheit, später wird klar, dass sie einfach nach ihrer Mami schreit und das die ganze liebe lange Nacht. Wir können sie nicht reinnehmen, weil Daniel eine Allergie hat und raus kann ich nicht, weil dort die blutrünstigen Schnaken warten. Also reden wir beruhigend auf sie ein und versuchen uns so wenig wie möglich zu bewegen, weil sie dann auch immer wieder aufwacht und mauzt.
Morgens wird die Kleene dann richtig geknuddelt und mit Wasser und getrockneten Aprikosen (das einzige was wir haben) versorgt. Wir überlegen eine Weile, ob wir sie mitnehmen sollen bis zum nächsten Dorf, entscheiden uns aber dagegen, als wir die ersten Ziegen kommen hören. Die Hirten nehmen sie sicher wieder mit ins nahe Dorf, vielleicht wissen sie sogar wo Mami ist. Man lässt uns nicht leicht gehen, sondern miaut hoch und schrill hinter uns her. Wir treten schweren Herzens weiter.
Wir hoppeln wieder über erbärmliche Straßen, vorbei an riesigen Industrieanlagen und kleinen Dörfchen. Wenn wir anhalten kommen meist die Kinder, um mit uns zu quatschen oder sie fahren neben uns her mit ihren Rädern. Der kleine Sader ist höchstens 8 und startet mit dem Satz: ”Let me introduce myself.” Ich bin beeindruckt. Wir müssen an dem Tag aber leider noch weiter, obwohl seine Omi uns herzlich einlädt. Bald kommen wieder Berge und die müssen wir uns einteilen. Gegen Mittag halten wir in einer kleinen Stadt in einer Caymexana – irgendetwas zwischen einem Restaurant und einem Teegarten. Man reicht uns wie immer erstmal Brot, Salat und Tee – eine schöne Tradition, wie ich finde. Dann essen wir Laghman, ein Nudelgericht mit Tomatensauce, dem unausweichlichen Fleisch und Koriander. Es schmeckt zum ersten Mal mehr nach Asien, als alles was wir bisher gegessen haben. Dann legen wir uns ab. Als wir aufwachen, fragt ein Mann an einem anderen Tisch den Kellner wo wir herkommen und als dieser “Germania” sagt, kommt er rüber und meint: “Servus! Ich komm aus München, kommt mal rüber und trinkt ein Bier mit uns.” Samer lebt seit einiger Zeit mit seiner Frau und seinem Sohn in München, studiert Maschinenbau und ist gerade auf Heimaturlaub.
An seinem Tisch sitzen noch Hassan, sein Deutschlehrer und selbst gerade am Promovieren und ein befreundeter Arzt. Als Samer seinen Vater anruft, um ihm zu sagen er habe Deutsche gefunden und er wolle sie zum essen und übernachten einladen, fragt dieser trocken: “Muss ich jetzt ein Schaf schlachten?” Fünf Minuten später ruft seine Mama an und fragt, was sie kochen soll. Hühnchen reicht;) Während wir 2 Stunden im Biergarten sitzen, ziehen die Jungs locker 4-5 Halbe weg. Daniel nippt ein bissche an seinem Glas, ich konnte mich rausreden.
Dann will man das Tandem auf den Oldtimer binden, der uns ins Dorf von Samers Familie bringen soll. Wir lehnen vehement ab und so wird das Rad kurzerhand bei einem befreundeten Arzt untergestellt und wir rasen durch die Stadt in das Dorf. Wir werden herzlich von Samers Familie empfangen, bekommen einen Rundgang durch das große Anwesen, auf dem von Mandeln, über Zitronen, Baumwolle, Chilis, Tomaten, Gurken, Melonen und Trauben so ziemlich alles für den Eigenverbrauch angebaut wird. Das ist nämlich Papas Hobby, um sich nach der Arbeit als Zahnarzt zu entspannen. Und Mami ist ebenfalls Ärztin und sie will “immer alles bio”, wie Samer uns versichert. Dann dürfen wir erstmal duschen, mit Regenwasser, das von der Sonne gewärmt wurde und bekommen dann echt usbekische Kleidung geschenkt. Dann wird aufgetischt. Suppe, Huhn mit Kräutern im Tandoori geräuchert, Obst und vieles mehr. Daniel bekommt ein Hacker-Pschorr Bier aus München und ist happy. Als er allerdings einen Toast aussprechen soll, hält er sich deutsch kurz und ist ein wenig peinlich berührt, als zuerst Samers Papa und dann Hassan ziemlich eloquente und ausholende Toasts aussprechen, die von der usbekisch-deutschen Freundschaft bis hin zur Freude über unseren Besuch so ziemlich alle Themen behandeln, die man sich vorstellen kann.
Dann geht’s los auf die Hochzeit. Es ist nicht ungewöhnlich, dass 1000 Leute zu einer usbekischen Hochzeit kommen und dementsprechend ist viel los, als wir zu dem Hochzeitspavillon kommen. Man erkennt uns sofort als Ausländer, schleppt uns zu einem reich gedeckten Tisch. Als das Brautpaar eintrifft stupst mich Samer mit der Kamera immer in die vorderste Front und so bin ich hautnah dabei, als die Hochzeitstorte angeschnitten und die Ringe getauscht werden. Die Braut und ihre Schwester heulen und Samer erklärt uns, dass eine usbekische Braut an der Hochzeit traurig aussehen muss, weil sie ja das Elternhaus nach 24 Jahren verlässt und das kein Grund ist, um glücklich zu sein. Wenn sie es anders machen würde, würden die Leute reden. Lustig, dass es in Deutschland genau andersherum ist.
Wir tanzen mit den anderen Gästen, während das Brautpaar auf seinem Thron Glückwünsche entgegennimmt, dürfen einen Toast sagen, den Samer glücklicherweise ausschmückt und blamieren uns dann noch, als wir gebeten werden etwas zu singen und uns nichts anderes einfällt als “Alle meine Entchen.” Samer trocken dazu: “Merkt ja eh keiner.” Stimmt eigentlich.
Papi hat inzwischen ein paar obligatorische Schnäpse gezogen, wie man das hier zu jedem Essen macht, fährt aber trotzdem mit 100 auf der dunklen Landstraße mit uns nach Hause, wo es dann nochmal essen gibt. Daniel kippt schon fast um, ich futtere glücklich weiter. Man richtet uns wieder ein Prinzessinnenbett mit Fliegennetz im Garten und wir schnarchen glücklich ein.
Am nächsten Morgen dürfen wir nicht ohne Frühstück gehen und nach viel Verabschiedung strampeln wir unserem ersten ernsthaften Berg in Usbekistan entgegen. Es ist eine harte Etappe, mit vielen fiesen Anstiegen und Hubbelstraße. Wir essen in einem Hotelrestaurant zu Mittag, dürfen dort aber nicht im Garten ausruhen und fahren genervt weiter. Aber wie es so ist, dann passiert wieder ein Hammer. Wir halten an dem kleinen Restaurant von Dior und seinem Vater. Der junge Mann hat an diesem Tag Geburtstag, kann wunderbar englisch und verwöhnt uns von vorne bis hinten. Er bekommt mein lang mitgeschlepptes Ricola-Bonbon und findet es eklig, aber ich habe nichts anderes mehr von Zuhause und es soll ja etwas besonderes sein, für seinen Geburtstag. Wir unterhalten und prächtig und trotz seines jungen Alters, weiß er ganz genau, wann es Zeit für die erfrischende Melone ist und dass er uns am besten Wasser schenkt, wenn er uns etwas schenken möchte. Wieder ein unglaublich berührendes Erlebnis!
Wir nutzen den Abend ohne Wind, um noch mehr von den Höhenmetern zu machen, die wir noch vor uns haben und suchen uns dann ein hübsches Plätzchen für unser Zelt.
Eine unspektakuläre Nacht und dann geht es weiter den Berg hinauf. Die Straße ist wieder die Hölle und wir sind mehr als froh, als wir Boysun erreichen. Ein Nest in den Bergen, in dem wir unseren Ruhetag verbringen wollen. Wir suchen uns ein Hotel und duschen erstmal, bevor wir auf Nahrungssuche gehen. Kein einfaches Unterfangen, da Unabhängigkeitstag ist und die Läden und Restaurants tatsächlich schließen. Auch am Tag darauf finden wir kaum etwas zu essen und es ist schwierig nicht genervt zu sein bei dem immergleichen Essensangebot. Auch das Hotel ist eher ungünstig als Rückzugsort, weil die Familie des Managers auch dort wohnt und die Frau desselben einen Narren an mir gefressen hat und auch gern mal ohne zu klopfen ins Zimmer gestürmt kommt, um uns Süßigkeiten zu bringen. Daniel in seiner Unterhose is not amused, aber immernoch besser, als ihr Mann, der uns am morgen der Abfahrt wecken will und Daniel gerade wie Gott ihn schuf durchs Zimmer rennt. Wir sind mehr als froh als wir das Hotel und den Ort verlasse können. Es kommen wohl wenig Ausländer vorbei und wir werden oft mit offenem Mund angestarrt. Normalerweise kann ich einfach belustigt “Salam” sagen und so das Starren brechen, aber wenn zuviele starren, weiß ich nicht wo ich anfangen soll und fühle mich echt wie ein Zootier.
Die Abfahrt nach dem Pass ist atemberaubend schön und glücklicherweise mit einer guten Straße bestückt, sodass wir sie auch genießen können. Eigentlich ist unser Plan 90 km bis in die nächste Stadt zu fahren, doch als wir dort ankommen und das Hotel für den total überteuerten Preis und einen unfreundlichen Rezeptionisten sehen, entscheiden wir spontan weiterzufahren. Wir machen wieder mal mittag in einem Russenclub und schlagen uns die Bäuche voll, womit wir dann tatsächlich fähig sind an diesem Tag noch spontan nach Tajikistan zu fahren. 140 Kilometer an einem Tag und zwei Länder, das ist Rekord.
Ich bin ein wenig traurig, Usbekistan so abrupt verlassen zu müssen, doch andererseits freue ich mich auch auf Tadschikistan – das dritte Land, dass wir in Zentralasien entdecken dürfen.
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