Usbekistan – 1001 Nacht #1

Zentralasien zu bereisen, über das wir so wenig wussten, ist an sich ein Abenteuer. Wir haben uns lange darauf gefreut und sind trotzdem überwältigt von der Schönheit der Menschen, der Kultur und dem Sowjetcharme. Wir sind überrascht von dem geschichtlichen Reichtum und der Märchenhaftigkeit dieser Region. Nach Turkmenistan sind wir froh in Usbekistan kein zeitliches Limit zu haben und tauchen ein in ein Märchen aus 1001 Nacht.

Auf der usbekischen Seite der Grenze werden wir gleichmal mit schönstem Englisch von den Zollbeamten empfangen. Die Grenze selbst ist gerade eine riesige Baustelle und deswegen ist es ein wenig verwirrend den Weg zu finden. Aber wie immer ist man sehr nett zu uns und zeigt uns den Weg durch das Container Labyrinth. Wir müssen wieder alle unsere Taschen durchleuchten lassen und der Zollbeamte ist mehr neugierig als dienstbeflissen und will wissen,wo wir schlafen, ob wir keine Angst haben beim Zelten und wie lange wir gebraucht haben, um das Geld für die Reise zu sparen (Mal etwas anderes. Die meisten Leute nehmen nämlich an, dass der deutsche Staat oder unsere Eltern uns finanzieren.).

Nach der Grenze treffen wir zwei Chinesen, die für eine chinesische Firma in Usbekistan Öl fördern. Die beiden sprechen exzellentes englisch (neben russisch und mandarin) und wir zeigen uns beeindruckt davon, wieviel von der Welt sie mit 3 Sprachen abdecken können. Wir mit unserem spanisch, portugiesisch und indonesisch kommen uns dagegen ein wenig lächerlich vor. Unsere Reise hat uns nochmals gezeigt, wieviele Länder der ehemaligen Sowjetunion angehörten und wieviele Menschen hier immernoch fließend russisch sprechen.

Wir eiern ein paar Kilometer durch die bereits drückende Hitze und suchen dann Schutz unter ein paar Bäumen, um unseren Mittagsschlaf zu zelebrieren. Endlich kein Zeitdruck mehr, durch das ablaufende Visum! Wunderbar! So ganz entspannen können wir allerdings doch nicht, weil die Hitze uns inzwischen doch ganz schön nervt. Wir liegen nur da und der Schweiß rinnt uns trotzdem an ganzen Körper hinunter und sammelt sich als dunkle Flecken auf unseren Matten. Bäh.

Gegen 4 Uhr satteln wir wieder auf und strampeln ins nächste Dorf. Dort kaufen wir eine ganze Melone und essen sie an einer Bushaltestelle, wo wir wieder die Attraktion sind. Ein älteres Ehepaar lädt uns zu sich nach Hause ein, aber wir wollen noch ein bisschen weiter, da wir am nächsten Tag weniger Kilometer machen wollen, um schon mittags in unserer Oase in Bukhara anzukommen. Daniel steht völlig neben sich. Er ist erschöpft und seine Auffassungsgabe ist in Slowmotion. Wir radeln trotzdem noch ein Stücken weiter. Die Straße ist gut und flach und abends gibt es keinen Wind. Wir finden keinen passenden Zeltplatz, da die kleinen Dörfchen einfach nicht aufhören wollen. Da kommt ein Mann quer über sein Feld gerannt und hält uns an. Muxtor ist völlig aus dem Häuschen und lädt uns zu sich nach Hause ein. Er ist begeistert, als wir freudig zustimmen und wir folgen seinem Traktor zu seinem Haus. Dort erwarten uns seine Frau Rano und seine jüngere Tochter Charosxon.

Wir werden in den kühlen Gästeraum verfrachtet und bekommen sofort Brot, Butter, Süßigkeiten und zwei verschiedene Melonenarten aufgetischt. Muxtor erzählt uns, dass vor 10 Jahren 2 Franzosen bei ihm waren mit dem Rad. Die vier waren damals alle gleich alt, um die 30, nur das Muxtor und Rano bereits drei Kinder hatten und die beiden Franzosen zwei Räder. Man merkt, wie sehr Muxtor dieses Zusammentreffen immernoch am Herzen liegt und er erzählt lebhaft alles mögliche, obwohl wir keine Sprache gemeinsam sprechen können. Er zeigt uns Bilder von den beiden Radlern, von sich als Soldat in Sibirien und von diversen Hochzeiten und Familienausflügen aus jüngerer Zeit.

Als die Sonne bereits sehr tief steht, treibt uns die Neugier nochmals aus unsere kühlen Refugium und Charosxon zeigt mir die Ziegen und Kühe, das Gemüse im Garten und das Baumwollfeld hinter dem Haus. Rano ist bereits mit dem Kochen beschäftigt. Sie macht das typische Plov, ein Reisgericht mit Karotten und Rindfleisch für uns auf einem Gaskocher. In der Ecke gibt es auch einen Tandoori, um zu backen. Das Wasser muss zum Kochen und für die Tiere wird von Hand aus dem Brunnen gepumpt und geschleppt.

Dann werden wir mit dem Badezimmer vertraut gemacht. Ein Raum komplett mit Lehmwänden, das Duschwasser wird mit dem Wasserkocher heiß gemacht und wir schöpfen das Wasser mit einer Kelle über uns. Herrlich erfrischt machen wir noch einen kleinen Spaziergang zum Tante Emma Laden um die Ecke, Charosson hakt mich unter und wir schlendern den unbefestigten Weg entlang. Wir fühlen uns wie locals. Als wir zurückkommen sind auch die beiden anderen Kinder von Rano und Muxtor da. Maftuna mit ihrer süßen kleinen Tochter und der Bruder Magrud. Wir essen alle zusammen und es wird aus Schüsseln getrunken. Muxtor animiert uns und seine Töchter immer wieder doch mehr zu essen und nachdem alle satt sind, wird zusammen gebetet. Alles ganz relaxed. Dann werden wieder die Bilder auf unseren Handys von vorne nach hinten durchgesehen. Muxtor erzählt uns an diesem Abend vieles, u.a., dass es ein viertes Kind gab, das im Alter von 4 Jahren allerdings verstorben ist. Wir sind betroffen und erfahren später, dass die Kindersterblichkeit in Usbekistan recht hoch ist, weil die Sowjetunion nicht nur Atom – und biologische Waffen in dieser Region getestet hat, sondern auch die Pestizide der Baumwolle ihriges dazutun, dass die Menschen verschiedenste Krankheiten entwickeln. Ich bin wieder einmal wütend. Wie kann man nur so skrupellos sein und sich keinerlei Gedanken über Spätfolgen machen. Hier im abgelegenen Zentralasie kann mans ja machen.

Um 10 heißt es dann ab ins Bett, ihr müsst morgen früh raus! Wir sind dankbar und strecken uns auf den bereits für uns vorbereiteten Matten aus. Gerade in dieser Nacht muss ich natürlich auf das Plumsklo, das bei den Tieren im hinteren Teil des Gartens ist und ich schlage mich schlaftrunken durch die Hecken und atme den warmen Geruch der Tiere, die mich ein wenig entsetzt anmuhen- und blöken.

Am nächsten Morgen bekommen wir warme Milch. Muxtor, wie immer der perfekte Gastgeber, zeigt uns, dass wir Brot hineinstückeln müssen und jeweils ein wenig Butter und Zucker und eine Prise Salz. Schmeckt wirklich lecker und gibt Kraft. Nach der üblichen Fotosession strampeln wir dann los, begleitet von Magrud der mit dem Rad zur Arbeit fährt. Es ist wieder ein herzerwichender Abschied, vor allem weil Charosxon mich mit großen braunen Augen fragt, ob wir wiederkommen und ich nicht lügen kann.

Schon als wir losfahren, bemerken wir den Wind, der uns ins Gesicht bläst und der uns den ganzen begleiten wird. Diese 60 Kilometer, meist flach und auf guten Straßen sind die schlimmsten, die wir seit unserem Start in Deutschland durchgemacht haben. Unsere Körper sind völlig ausgelaugt von der Turkmenistan-Tour und unsere Köpfe sind bereits in dem Boutique Hotel, dass wir uns in Bukhara gegönnt haben. Keine gute Mischung. Wir kommen quälend langsam voran und müssen dauernd halten, weil wir nicht mehr sitzen können, unsere Beine den Dienst versagen oder wir etwas essen müssen. Endlich in Bukhara angekommen huppeln wir auf dem letzten Zahn zu unserem Hotel und dals Aziz das große Tor öffnet, hinter dem sich eine Medressa (arab. für Schule) aus dem 19. Jahrhundert versteckt, uns unkompliziert eincheckt und uns erstmal in unser Zimmer verfrachtet, könnte ich weinen vor Freude. Das Bad ist geräumig, hat eine westliche Toilette und eine Badewanne mit Duschvorhang. So etwas habe ich das letzte Mal in Azerbaijan gesehen. Ich bin entsetzt, wie sehr es mir Freude bereitet in einem Raum zu sein, in dem alle Lichter funktionieren, der Putz nirgends bröckelt und der mit Geschmack eingerichtet ist. Ich muss erstmal schlafen und nachdem wir etwas gegessen haben, gönne ich mir eine Massage. Die Masseurin schreit entsetzt auf, als sie meinen geschundenen Po sieht und murmelt immer wieder “Ohohoh Sportsmen” als sie die Muskeln an meinen Oberschenkeln und an meinem Nacken versucht zu entspannen. Sie ist fertig nach der Stunde Massage, ich wieder hergestellt.

Wir verbringen 3 Nächte in Bukhara, das einmal der Mittelpunkt der islamischen Welt war. Es gibt vieles zu sehen. Wunderschöne Gebäude, alte Medressas, einige davon noch in Betrieb, echt usbekische Nachbarschaften, Kunst, Kunsthandwerk, Baumwoll-und Seidenstoffe mit dem Bukhara Muster, das gerade letzten Winter sehr en vogue war in Europa. Wir schlendern durch die Basare, kaufen Kleinigkeiten, gehen schön essen in einer alten Karawanserei. Genießen das ausladenen Frühstück und den wunderbaren Service in unserem Komil Boutique Bukhara. Viele, viele Italiener machen hier gerade ebenfalls Urlaub, weil die Reisbüros damit werben, dass hier im Gegensatz zu vielen europäischen Großstädten keine Terrorgefahr herrscht. Stimmt.

Wir lernen Elham kennen, der ebenfalls wunderbar deutsch spricht und in unserem Hotel arbeitet. Er möchte uns zu sich nach Hause einladen, leider müssen wir weiter, wenn wir noch vor dem Winter auf den Pamir wollen. Aber seine Einladung ist charakteristisch für Bukhara. Obwohl es so viele Touris gibt, sind die Einheimischen freundlich und fair und freuen sich dich in ihrer Nachbarschaft zu sehen. Wir werden auf der Straße öfter angesprochen. Einfach, weil man mit uns quatschen will. Viele können auch hier wieder ein paar Worte oder sehr gutes deutsch, weil sie z.B. während des kalten Krieges mal in Deutschland stationiert waren oder es tatsächlich in der Schule lernen.Wir sind beeindruckt.

Leider spricht meine Friseurin weder englisch noch sonst eine Sprache, deren ich mächtig bin und so bekomme ich einen hübschen Babuschka-Bob verpasst, der aber irgendwie passend ist, für diese Region der Welt. Dann strampeln wir weiter Richtung Dushanbe in Tadjikistan.