Endlich Indonesien #4 – Wir sind da!

Die Ankunft in Yogya ist anders, als man sich das vorstellt. Eher ein ruhiges, stetiges Einrollen,die logische Vollendung unserer Reise, als der grosse Paukenschlag, den man vielleicht erwartet hätte. Alte Freunde zu treffen ist eben, als hätte man sie gestern erst getroffen. Deswegen sind sie gute Freunde, weil auch eine Lange Abwesenheit das Wesen der Freundschaft nicht verändert und man sich einfach wohl fühlt zusammen.

Klar, an unserem letzten Tag auf dem Rad sind wir aufgeregt und können es selbst nicht fassen, dass das wirklich passiert. Als wir in Yogya einfahren, erkenne ich keine Strasse wieder und fühle mich vor allem fremd zwischen dem ganzen Verkehr.

Wir pirschen uns von hinten an das Nanamia heran. Auf Straßen, die ich noch nie gefahren bin, obwohl direkt neben dem Nanamia mein altes Gym ist und nicht weit entfernt meine Uni. Erst bei der letzten Abbiegung kann ich sagen “jetzt links” und dann ist es da, das Nanamia. Zwei Jungs stehen etwas verloren vor der Terrasse herum und wir parken direkt neben ihnen. Erst auf den zweiten Blick sehen wir, dass sie ein Plakat mit unseren Namen, unserer Route und einem Willkommensgruß halten. Man begleitet uns nach drinnen, wir setzen uns und bestellen etwas zu trinken. Man sagt uns, Mr. Matthias und Nana gleich kommen werden. Wir schlürfen unsere kühlen Getränke und haben einen kurzen Moment der Stille, in dem jeder seinen eigenen Gedanken nachdenkt. Wir sind da. Wir lassen diese Gedanken kurz in uns arbeiten. Aber da ist kein neues Gefühl, es ist nur Dankbarkeit. Dankbarkeit, dass wir es geschafft haben, Dankbarkeit, dass wir das alles erleben dürfen, Dankbarkeit, dass ich nicht mehr auf das Tandem steigen muss.

Dann flitzen Nana und Matze um die Ecke und schließen uns in ihre Arme. Nana weint, Matze hat Tränen in den Augen, ich bin einfach nur glücklich die beiden zu sehen. Es ist ein kurzer, inniger Tumult, dann setzt man uns erstmal wieder ab und alles ist wie immer. Damit meine ich es fühlt sich ganz normal an mit den beiden in ihrem Restaurant in Indonesien zu sitzen und einfach nur zu quatschen. Wir steigen direkt in Diskussionen ein und es ist, als hätten wir nicht zwei Wochen, sondern 2 Stunden Zeit, uns das letzte Jahr zu erzählen. Als das mit der Wiedersehensfreude verbundene Adrenalin ein wenig nachlässt, merke ich, wie müde ich bin. Ich würde gerne duschen und mich ein wenig ausruhen und so entscheiden wir, dass Nana uns mit dem Auto und unserem Gepäck nach Hause chauffiert und das Tandem erstmal in der Garage im Nanamia eingelagert wird. Das ist wirklich das erste Mal, dass ich nicht mehr mit dem Rad fahren will. Ich bin kraftlos. Die langersehnte Pizza kriegen wir zu diesem Zeitpunkt auch nicht nicht herunter, da wir gerade erst Mittag gegessen haben. Dafür probieren wir die leckeren italienischen Desserts. Und machen natürlich eine Fotosession, wie es sich für Indonesien gehört.

Nana stürzt sich mit uns in den chaotischen Verkehr und ich blicke ungläubig aus meinem Fenster, als ich die vielen neuen Hotels und Malls an uns vorbeiziehen sehe. Der Verkehr schiebt sich nur langsam voran und es drücken sich immer wieder Motorroller ganz dicht an uns vorbei. Manchmal bin ich versucht zu quieken, so eng ist es und ich beginne zu verstehen, dass die Fahrzeuge, die uns überholt haben in Indonesien genau dieses Maß angelegt haben das für meinen Geschmack einfach zu eng ist. Aus dem Auto sieht es noch enger aus.

Ich fühle mich nicht wie in Yogya, als wir Richtung zuhause fahren. Yogya ist für mich ein entspanntes Studistädtchen mit wenigen Autos und einer Armada an Rollern und Becaks, einstöckigen Häusern und Menschen, die Batik tragen. Was ich jetzt sehe, sind moderne Gebäude, die irgendwie nicht so richtig in ihre Umgebung passen, eine irritierend große Mall und viele, viele SUVs, die vor uns an der Ampel stehen. Nur die Roller scheinen noch die gleichen zu sein.

Nana und Matze wohnen in einem Condominium im Norden von Yogya. Es ist ein hübsches Häuschen, warm und bunt eingerichtet und wir dürfen unser Gästezimmer beziehen, das unser festes! Zuhause für die nächsten 2 ½ Wochen sein wird. Unser längster Aufenthalt an einem Ort, nach 11 Monaten. Zu meiner Studizeit hatte ich im Süden von Yogya gelebt, auch in einem Haus mit kleinem Garten und meinen Freunden, u.a. auch Matze. Der Unterschied ist natürlich trotzdem offensichtlich. Nanas und Matzes Haus ist um so viel gesetzter, schöner, geordneter und heimeliger als unseres damals.

Am ersten Abend bestellen wir eines meiner Lieblingsessen: Sate Lontong. Gegrillte Hühnerspieße mit einer dicken, leicht scharfen Erdnusssoße, dazu in Bananenblättern gepresster Reis. Wir reden bis uns allen fast die Augen zufallen.

Den ersten Tag verbringen Daniel und ich komplett zuhause, bis auf einen kurzen Ausflug in eine Nachbarstrasse, bei der mir eine nette indonesische Friseurin wieder einmal den kürzesten Haarschnitt aller Zeiten verpasst. Irgendwas mache ich falsch!

Nana und Matze arbeiten währenddessen. Sie sind gerade dabei ihre zweite Pizzeria komplett zu renovieren und müssen vor Ort verfügbar sein. Wir bekommen einen Haus- und einen Rollerschlüssel und ich brause zum Training ein paarmal um den Block, erst ohne, dann mit Daniel, um das Vertrauen in meine Fahrgeschicke wiederzuerlangen. Als ich hier studiert habe, hatte ich den Ruf einer furchtlosen (okay,vielleicht auch eher verrückten) Rollerfahrerin, aber auch hier muss ich bemerken, dass ich älter werde und mein Hirn eben doch öfters einschalte. Die Probe aufs Exempel folgt auch sogleich an diesem Abend, als wir in die Stadt fahren, um Makanan Padang mit Freunden zu essen. Der Start ist holprig und ich habe ganz schön zu tun, um mich wieder in den indonesischen Flow einzugliedern. Das heißt im Grunde: ganz am linken Rand der Fahrbahn langsam und ohne zu schauen losfahren, beschleunigen, immer darauf gefasst sein, dass irgendein Auto aus einer Nebenstrasse einfach auf die Straße brettert, meist fahren sie aber einfach Zentimeter für Zentimeter so lange auf de Straße bis niemand mehr durchkommt und sie fahren können. Zu meinem entzücken stelle ich fest, dass man inzwischen auch blinkt, wenn man z.B. nach rechts will und nicht einfach unangemeldet rüberzieht. Ich empfinde das als eine Verbesserung. Trotzdem ist es ein chaotisches und kräftezehrendes Unterfangen. Und ein dreckiges. In einer Rollertraube an der Ampel zu stehen ist sicher schlimmer als eine Zigarette zu rauchen und es gibt viele Ampeln mit unglaublich langen Zyklen. Aja und dann wäre da noch Daniel, der entzückt ist, dass ich nun der Fahrer bin und sich wild nach links und rechts lehnt oder sich beim losfahren auch gern mal nach hinten lehnt. Ich versuche ihm zu erklären, dass er irgendwann auf der Kreuzung sitzt, wenn er so weitermacht, aber dieses Thema wird während dieser 2 Wochen ein Streitpunkt zwischen uns bleiben. Er muss auch unbedingt immer auf der Seite an mir vorbeigucken auf der ich gerade den Schulterblick machen will. Das bedeutet entweder Kopfnuss oder ich seh halt nix. Ja gut, der hinter mir hat ja auch Bremsen, ne.

So schlängeln wir uns also zum Abendessen und lernen dort Eka und Mirko kennen. Die beiden werden im Sommer heiraten und sind gute Freunde von Nana und Matze, mit denen wir auch noch viel unternehmen werden in den nächsten beiden Wochen.

Gleich am Wochenende treffen wir dann einen weiteren alten Freund von mir. Mas Tuhu. Er hat früher bei der indonesischen Außenhandelskammer in Semarang im Nordosten von Java gearbeitet und ich habe dort in den Semesterferien des zweiten Semesters ein Praktikum zusammen mit meinem Studikollegen Lukas gemacht. Das war vor 12 Jahren und seit meinem Indojahr 2008/09 haben wir uns nicht mehr gesehen und ich habe seine Frau Erika auch noch nicht persönlich kennengelernt. Wir wollen zusammen den Tempel Ratu Boko in der Nähe von Yogya besuchen und ich freue mich sehr, weil ich weiß, dass Mas Tuhu immer tolle Ideen für kulturelle Ausflüge plus kulinarische Erfahrungen hat. Wir düsen also zu viert auf 2 Rollern zum Tempel, essen etwas und schaffen es grade so noch den Tempel zu besuchen, bevor dieser schließt. Mas Tuhu hat mir meine innig geliebten Ingwerbonbons mitgebracht und ist nicht davon abzubringen alles mögliche inklusive unserer Tempeleintritte zu bezahlen, weil er der älteste ist. Aufgrund unserer Freundschaft schaffe ich es aber ihm die 50 Dollar für den Eintritt wiederzugeben, damit er sie spenden kann – zwar besteht er darauf es in meinem Namen zu tun, aber wenigstens haben die Kinder etwas davon. Er will am nächsten Tag ein Waisenhaus besuchen und das Geld dort spenden.

Der Tag ist herrlich, auch wenn Daniel kaum etwas mitbekommt, weil die beiden sich nicht trauen englisch zu reden und ich oft einfach vergesse zu übersetzen. Erika ist bezaubernd und es ist ein typisch indonesischer Tag mit viel Essen, Witzen und Kultur.