Wir sind 3 Wochen als Backpacker in China unterwegs. Unsere Körper freuen sich über die Ruhepause, aber uns selbst kribbelt es spätestens ab Fenghuang in den Beinen und wir wollen zurück aufs Tandem. Vorher bestaunen wir aber ein paar Schätze des Reichs der Mitte.
Von Ürümqi fahren wir sehr komfortabel in einem Soft-Sleeper (4 Betten in einem abgetrennten Abteil) in 36 Stunden nach Xian und legen dabei um die 2500 Kilometer zurück. Auf dem Rad hätten wir dafür zwei Monate gebraucht. Wir haben einen Rucksack voll Essen dabei und da es überall in China heißes Wasser gibt, auch im Zug, können wir uns sogar Süppchen kochen und haben Platz für – Yoga!
Als wir in Xian morgens um 6 aus dem Bahnhof stolpern, erhebt sich direkt vor uns die eindrucksvolle Stadtmauer Xians, die wir später am Tag ausgiebig begehen werden. Die beleuchteten Türme und die Dächer mit den nach oben gebogenen Enden vermitteln uns das Gefühl nun wirklich im Reich der Mitte angekommen zu sein. Gleich morgens können wir von der Stadtmauer aus, auch das kulturelle Leben beobachten. Hier wird öffentlicher Raum eben auch richtig ausgenutzt:
Desweiteren stolpern wir wieder zufällig in ein Hostel, das als eines der schönsten in China gilt, weil es die Atmosphäre eines traditionellen chinesischen Viertels wiedergibt, in dem mehrere Familien in Zimmern, die um einen Innenhof gruppiert sind, leben. Wir stürzen uns in Sightseeing und nach der Stadtmauer, die einen beeindruckenden Eindruck davon gibt, wie groß die einstige Hauptstadt einmal war, fahren wir zum Grab des ersten Kaisers von China. Besser bekannt als die Terracotta-Armee. Der Kaiser wurde mit einer Armee lebensgroßer Krieger begraben. Jeder dieser 3000 Krieger ist einzigartig, vom Gesicht, über die Haare bis in zu Körperhaltung- und statur. Dies wird unsere erste Erfahrung mit Horden chinesischer Touristen. Zum Glück sind wir früh dran und so kommen wir um die Busladungen an Reisegruppen ganz gut vorbei. Trotzdem ist es für uns Europäer unvorstellbar wieviele Menschen an einem Ort sein können.
Unser letzter Ausflug führt uns zum Grab des 4. Kaisers von China. Auch er wurde mit einer Armee begraben. Aber mit einer Armee an Hofstaat. 30 000 Tonfiguren, die Eunuchen, Konkubinen, Krieger und verschiedene Tiere darstellen wurden in 91 Kammer zusammen mit im begraben. Zwar sind diese nicht lebensgroß, doch jede der Figuren war mit Gewändern aus Seide bekleidet und die Details der Schweine, Hunde, Ziegen und Pferde, die man in dem atmosphärischen Museum 5 Meter unter der Erde betrachten kann, sind bemerkenswert. Xian gefällt uns vor allem wegen seines muslimischen Viertels, das allerlei Schlemmereien bereithält und wegen unserer Nachbarschaft, in der wir jeden Tag aufs neue Gerichte kennenlernen, die uns zeigen wie vielfältig und lecker chinesische Küche ist.
Nächstes Ziel: Zhangjiajie Nationalpark. Eine etwas beschwerliche 18 Stunden Fahrt in einem Hard Sleeper (6 Betten, zum Flur hin offen) bringt uns in das nette Städtchen. Gleich am nächsten Morgen starten wir zu einer zweitägigen Wanderung im Nationalpark. Die leicht zu erreichenden Orte sind voller Menschen, aber kaum nimmt man mal eine Abzweigung, bei der man ein wenig weiter laufen muss, sind wir fast allein. Erinnert mich irgendwie an die Alpen. Die Umgebung allerdings ist ganz anders. Beeindruckende Karstfelsen stechen meterhoch in den Himmel, drumherum ist alles grün und feucht. Wir treffen sogar einen komischen Vogel.
Dieses Märchenland ist das Vorbild für die Landschaft im Film Avatar und wir können uns gut vorstellen, wie das alles einmal ausgesehen haben muss, als es noch unter Wasser war. Auch hier ist der Eintrittspreis mit 30 Euro horrend für ein Land, in dem viele 400 Euro im Monat verdienen und wir fragen uns, wieviele Chinesen im eigenen Land reisen können. Wie auch sonst überall ist der Nationalpark sehr sauber und gepflegt. Das haben wir schon lange nicht mehr erlebt.
Mit einem Bus fahren wir weiter nach Fenghuang, einem kleinen Städtchen, mit engen Gässchen, das idyllisch an einem Fluss liegt. Es ist eines der wenigen wirklich alten Städtchen, das den Horror der Kulturrevolution, in der viele Schätze Chinas zerstört wurden und den Bauwahn der modernen Regierung überlebt hat. Wir genießen es Zeit zu haben, um durch die Gassen zu streunen, verschiedenste Leckereien von den Straßenverkäufern zu probieren und den Darbietungen älterer Bürger zu lauschen, die sie auf öffentlichen Plätzen vorführen. Wir bemerken auch die bunte Mischung an Ethnien und wie die chinesischen Touristen sich gerne in lokaler Tracht fotografieren lassen. Manchmal sind auch wir die Attraktion und man schreit uns ein “Hallo” entgegen und ist dann ganz entzückt, wenn wir verstehen und zurückgrüßen. Allgemein sind die Chinesen sehr hilfsbereit und bemüht uns immer in die richtige Richtung zu stupsen. Allerdings fragt man selten, vielleicht aus Höflichkeit, wo wir herkommen oder wie es uns in China gefällt, wie wir es aus verschiedenen anderen Ländern kennen. Schön zu beobachten ist aber, dass völlig Fremde sich untereinander unterhalten im Bus, im Zug oder auf der Straße. Das kreiert eine schöne Stimmung.
Auch das stundenlange aufeinandergepresst sein im Zug ist kein Problem in China. Abgesehen von der Angewohnheit der Chinesen völlig frei und laut mit ihren Körperflüssigkeiten umzugehen – man holt sich gerne den Schleim lautstark aus der hintersten Ecke und spuckt ihn dann in einen Mülleimer – läuft alles immer sehr undramatisch ab und man versucht den andern nicht allzu sehr zu belästigen. Manches müssn wir auch selbst einmal ausprobieren:
Wir fühlen uns in China also nett aufgenommen, aber es ist eben ein großer Unterschied zu dem, was wir sonst mit dem Tandem erleben und das lässt uns immer wieder sehnsüchtig an dasselbe denken. Natürlich die anderen Herausforderungen wie schmerzende Pos, Kälte und Anstrengung ausblendend.
Ab Fenghuang rollen wir nochmal 18 Stunden in einem Hard Sleeper bis nach Kunming, der letzten Stadt in der es einen Bahnanschluss in unsere Richtung gibt. Wir kommen früh morgens an und haben auch noch den nächsten Tag, um diese entspannte Stadt zu erkunden. Kunming ist als die Stadt des ewigen Frühlings bekannt und nach 2 Wochen dauerfrieren, weil wir ab Xian unter der politisch verordneten Heizungsgrenze sind, freuen wir uns über die milden Temperaturen. Wir schauen uns den buddhistischen Tempel an, schlendern durch die Parks, probieren uns durch die Straßenstände
und lernen ganz zufällig zwei europäische Herren kennen, mit denen wir einen Tag voller Geschichte(n) verbringen.
Alan kommt aus Straßbourg und beeindruckt uns mit seinem wunderbaren deutsch, als er uns in einem Cafe anspricht. Er kommt jedes Jahr nach Kunming, seit 15 Jahren und hat in dieser Straße noch nie einen Ausländer gesehen. Die Zeit verfliegt, während wir über die Veränderungen in China reden, die er beobachtet hat. Die eindrücklichsten für ihn sind wohl die Sauberkeit der Straßen, welche uns auch schon enorm aufgefallen ist, dass Räder seit diesem Jahr wieder en vogue sind – ganz im Gegensatz zu nur ein paar Jahren früher, als sie als ländlich und somit arm galten und dass die Muslime irgendwie muslimischer geworden sind und sich weiter von der moderaten asiatischen Art des Islam entfernt haben. Es gibt auch viel spitzbübisches von dem diskussionsfreudigen Franzosen. Wir schmunzeln und freuen uns über diesen speziellen Menschen, der uns wieder einmal gefunden zu haben scheint.
Drei Straßen weiter wollen wir eine Galerie besichtigen und laufen dem schwedischen Künstler Janeric Johansson in die Arme, der glücklicherweise gerade in China weilt und Zeit hat ein paar Anekdoten aus seiner Schaffenszeit zu erzählen. Uns beeindruckt am meisten, wie viele politische Umwälzungen er auf seinen internationalen Ausstellungen miterlebt und wie er Kunst in China zusammen mit anderen Künstlern und Kollegen auch gegen Parteiverbote durchsetzt. Falls sein neues Buch je in englisch erscheint, werden wir es jedenfalls kaufen!
Voll Freude über die Lektionen der beiden Herren, was man in einem Leben so erleben kann, wenn man sich traut, taumeln wir nach Hause und bereiten uns auf unsere letzte Busfahrt in China und zurück zu unserem Tandem vor.
Jinhong ist eine wundervoll grüne und pulsierende Stadt. Wir erleben auch hier wieder vollen Einsatz des Hotelpersonals für das Tandemteam. Man schleppt die schweren Kartons mit uns na okay mit Daniel, weil ich darf nicht helfen- durch das Hotel zum Aufzug und durch die Straßen, kleine Grazien in Hoteluniformen wollen uns von Herzen helfen das Paket auseinanderzupacken und auch der Manager selbst ist sich nicht zu schade mit uns durch die Straßen zu laufen, damit wir den Ort finden, an dem das Tandem gelagert ist. Wahnsinn!
Nachdem alles zusammenbaut und die Probefahrt überstanden ist, wandern wir am Mekong entlang und lassen uns verzaubern von der üppigen Vegetation hier. Wir kommen uns vor als seien wir irgendwohin geflogen, dabei sind wir einfach 6000 km durch ein Riesenreich gefahren. Wir sind trotzdem völlig geflashed und genießen es, dass wir ohne Daunenjacke und mit Flipflops unterwegs sind. Wir sind auch aufgeregt, bald geht es wieder aufs Rad!
Der erste Tag ist immer hart, das kennen wir ja schon. Der üppige Regenwald lässt uns aber auch viel staunen und da wir die Mautstrasse mit vielen Tunneln nicht fahren dürfen – das ist uns noch nie passiert;) – , schlängeln wir uns in den Hügeln drumherum durch Tal und auf Berge. Wir sind wieder voller Energie, für das, was noch vor uns liegt und spätestens als wir irgendwo im nirgendwo auf einem Markt unsere Ananas für den nächsten Tag zerlegen lassen, freuen wir uns wieder abseits von Städten und Touripunkten unterweg zu sei. Die Nähe zur Natur und den Menschen ist für uns einfach so viel wertvoller. Wir sind trotzdem froh einen Eindruck von diesem immensen Land und seinen Menschen bekommen zu haben und freuen uns nun auf Laos.
Wer mehr will: ZDF-Doku über ein paar Orte, die wir sehen durften! Spannend!
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