The Kyrgyz Way of Life

Nachdem wir seit drei Wochen durch ein Land fahren, in dem Pferde idyllisch frei vor unglaublicher Kulisse grasen und ich mich dauernd dabei ertappe, wie ich Galopp übe hinten auf dem Tandem, wird es Zeit einmal einen Ausritt zu machen. Wir entschließen uns für eine 3-Tages-Tour am Issyk-Köl See im Osten von Kirgisistan. Umsatteln ist einfach schön. In Bishkek suchen wir uns eine Agentur, die dafür bekannt ist Community Based Tourism zu betreiben, also einen Tourismus, der die lokale Bevölkerung empowert  und Traditionen erhält. Dort buchen wir unsere Tour und machen uns auf eigene Faust auf eine Mitfahrgelegenheit zum 4 Stunden entfernten Bokonbaevo zu bekommen. Das Tandem bleibt in Bishkek und mit leichtem Gepäck finden wir ein Auto, das uns mitnimmt. Schon hier bekommen wir wieder das volle Programm Kyrgyz Way of Life. Wir halten immer wieder an Gemüseständen und der Kofferraum des Autos füllt sich mit einem 3 Monats Vorrat an Zwiebeln und Tomaten. Unterwegs machen wir dann noch einen kleinen Schlenker, um die Heizung des elterlichen Hauses auslaufen zu lassen, damit diese im kommenden Winter nicht gefriert. Da wir keine gemeinsame Kommunikationssprache haben, ist das Ganze am Anfang nicht so klar, wir wissen nur, dass wir irgendwo 20 Minuten halten werden. Aber hey wir sind eh tiefenentspannt, weil es mal kein Tagesziel vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen gibt und so eiern wir ein wenig im Garten rum, während die Heizung das Wasser ausspuckt. Als wir in Bokonbaevo ankommen werden wir direkt von unserem Guide Joki empfangen und in ein weiteres Taxi verfrachtet, das uns zu unserem Yurt-Camp bringt – ein lang gehegter Traum von Daniel. Wir schlendern ein wenig am Strand des Issyk-Köl entlang und kuscheln uns nach dem Abendessen in die Yurte. Der schönste Moment ist, morgens aufzuwachen, wenn die Sonne durch die Schafswolle der Yurte scheint und man in diesen perfekten Kreis blickt. Nach dem Frühstück gehts wieder mit dem Taxi auf eine Wiese, wowir unsere neuen vierbeinigen Freunde das erste Mal treffen. Daniel bekommt den schwarzen Wallach Kara, ich den hellbraunen Kashgar und Joki steigt auf Boyka, einen stattlichen Schimmel. Daniel reitet zum ersten Mal (nach einmal einer Stunde auf einem Pferd sitzen in Argentinien) und ist dementsprechend aufgeregt. Für mich fühlt es sich an wie nach Hause kommen. Ich bin als Teenie lange geritten und ich liebe es, wie die Pferde riechen, wie sie sich bewegen und dich dabei schön durchschaukeln. Wir reiten gemütlich im Schritt durch eine wüstenähnliche Landschaft, im Hintergrund sind immer die schneebedeckten Berge zu erspähen. Es ist herrlich Daniel dabei zuzuhören, wie er Kara motiviert schneller zu laufen oder nicht an jedem Strauch stehen zu bleiben und zu fressen. Dazwischen stellt er Fragen wie: „Warum hat  man auf einem Pferd eigentlich keine Klicker? Wäre doch voll praktisch.“ Er sieht das alles eher aus einem technischen Blickwinkel, während ich voll in meinen romantischen Western-ich-und-mein-Pferd-erobern-die-Wüste-und-rieten-dem-Sonnenuntergang-entgegen Tagträumen schwelge. https://vimeo.com/239627774 Die Pferde sind tiefenentspannt, egal ob ein kläffender Hund auf sie zuspringt, plötzlich Vögel neben uns in die Höhe stoben oder die Kaninchenjäger in der Ferne schießen. Nur Kara wird ein wenig nervös, als wir am Schluss an einer Straße entlangreiten. Daniel meistert aber auch das und dann sind wir auch schon am Tagesziel angekommen. Joki hat uns zu seinem eigenen Haus gebracht und seine Frau Burulkan empfängt uns mit Tee. Dabei ist sie sehr bemüht die Schale immer nur halb zu füllen, wie es ein guter Gastgeber tut. Denn es ist eine Ehre für sie alle 5 Minuten aufzuspringen und uns nachzuschenken. Kleiner kirgischischer Knigge: Wenn ihr mal hier unterwegs seid und euch jemand die Schale vollschenkt, dann ist es Zeit zu gehen. Ich bin aber sehr gespannt, ob das je jemand erlebt hat. So vollendet gastfreundlich wie man hier ist. Später am Abend kocht Burulkan lecker Suppe und sie und Joki singen Lieder für uns. Es ist ein sehr schöner Abend und wir fallen zufrieden in das von Burulkan gezauberte Bett auf dem Boden des Gästeraums. https://vimeo.com/239627834 Nach einem echten Cowboy Frühstück satteln wir wieder auf und reiten in der kühlen Herbstluft den bunten Wäldern entgegen. Wir durchqueren an diesem Tag einen Fluss, schlängeln uns steile und schmale Wege die Berge hinunter und Daniel ist schwer beeindruckt von der Geländegängigkeit seines „schwarzen 4x4lis mit nur einem PS“. Wisst ihr was ich mit technischem Approach meine? Zu Mittag sind wir bei der Familie eingeladen, bei der wir auch schlafen werden. Die haben selbst gerade Familientreffen und da werden wir einfach dazugewürfelt. Zur Feier des Tages wurde ein Schaf geschlachtet (auf der Betonterasse vor unserer Unterkunft ist der Blutfleck noch gut zu sehen). Alle Teile des Schlafs sind auf dem Tisch verteilt, zwei der kleineren Jungs nagen glücklich an je einem Schafshuf herum und wir werden gefragt, ob wir die kirgisische Spezialität Schafskopf gerne mal probieren wollen. Wir lehnen dankend ab und Joki bekommt ein großes Messer, damit er den Wirbel des Schafs besser abknibbeln kann. Als er damit fertig ist, ist der Wirbel fleischfrei. Er erklärt uns, dass sein Vater Schäfer war und nur von Fleisch gelebt hat und über 80 Jahre alt geworden ist. Das liege ihm in den Genen. Dann geht es nochmal auf die Pferde, um die andere Seite der Bucht auszukundschaften. Am Nachmittag machen die Herren ein Schläfchen, während ich mich dem hingebe, was ich als Kind schon geliebt habe. Pferde beim grasen zusehen. Es gibt nicht entspannenderes. Allgemein finde ich, dass Pferde sehr elegant sind und auf mich strahlen sie eine immense Ruhe aus. Als Kind war ich immer im Stall meines Onkels und habe auf dem Fohlen geschlafen, das Walli gerade geboren hatte. Sie hat mich einfach auch behandelt wie ihr Fohlen und man hat immer darauf geachtet, dass mich keiner zerquetscht. Deswegen hatte ich vielleicht nie Angst vor Pferden und vertraue darauf, dass sie meine Freunde sind. Am Morgen unseres dritten Tages ist Daniels Po und Knie schon arg geschunden. Irgendwie verträgt er das Sitzen nicht so gut. Wir machen also öfters Pause und Kashgar und ich traben auch öfters mal ein wenig durch die Gegend, das entlastet den Po auch. Die Landschaft ist wieder atemberaubend und als wir durch einen Canyon reiten, komme ich mir endgültig vor wie in einem Film. Die Sonne brennt und ich höre eine Mundharmonika in meinem Kopf spielen. Daniel sitzt dauernd auf dem Pferd als müsste er mit einer Hand gleich seine Cold ziehen. Gegen Mittag wird er dann erlöst. Wir sind am Endpunkt angekommen und die Pferde werden für die restliche Strecke verladen. Ich bin traurig, ich hätte noch ewig vor mich hinreiten können. Es wird noch ein Apfel geteilt mit unseren vierbeinigen Freunden, bevor wir Adieu sagen müssen. Pferdekuss gibts zum Glück aber keinen.   Falls ihr jetzt Lust bekommen habt, einen Western zu gucken, empfehlen wir euch den halb historischen Spielfilm “Kurmanjan Datka” (2014, auf Youtube frei verfügbar). Es geht dabei um die erste Frau, die als Führerin der kirgisischen Stämme gegen die russische Invasion gekämpft hat. Ein Film, in dem man auch vieles über die traditionelle Lebensweise der Kirgisen vor gut 100 Jahren erfährt. Kurmanjan Datka schmückt übrigens heute noch die kirgisische 50 Som Note. Eine weise Frau!