Lovely Luxemburg

Gianni grinst mich spitzbübisch an. Ich kann zwar nur seine Augen sehen, weil eine Maske seine restliche Mimik verdeckt, doch trotzdem kann ich mir für einen Moment den jungen Gianni im geschichtsträchtigen Carlton, Luxemburg vorstellen. Concierge, über alle Skandale informiert, stets diskret – und immer darauf bedacht, dass sich seine Gäste willkommen fühlen.

«Bleiben Sie, wie Sie sind.

Sie sind sehr angenehme

Menschen.»

Gianni, der Mann für alle Fälle, Hotel Carlton, Luxemburg

…ruft er uns hinterher, als wir schon fast das Ende des langen Flurs erreicht haben, der auf die Straßen der Hauptstadt von Luxemburg führt. Ich drehe mich um und schicke ihm einen Handkuss. Dann steigen wir auf und treten endlich mal wieder los – immer in Richtung Schweiz.

Als wir so durch das sonntagmorgendlich verschlafene Luxemburg pedalieren, muss ich an die vergangenen Tage denken. Gestartet sind wir in der Eifel, nachdem wir ein paar Tage herrliche Ferien bei unseren Freuden geniessen durften. Wie nahe Bitburg (ja genau da, wo das Bier herkommt) in der Eifel an der luxemburgischen Grenze ist, wird mir erst bewusst, als wir über die Brücke von Echternach fahren und dabei noch nicht mal 40 Kilometer unterwegs sind.

Und ich hüpfe auf und ab wie wild: ein anderes Land! In diesen Zeiten! Und ich sehe, was Daniel mir schon vor unserer Abreise erzählt hatte: offene Terrassen auf dem Hauptplatz. Mir fallen fast die Augen aus. Und dabei ermahne ich mich: das war bis vor Kurzem etwas ganz Normales. Ich kann trotzdem nicht umhin entzückt loszuquiecken, als die Bedienung den Teller voll Spargeln (zugegebenermaßen recht frühe) vor mir abstellt. Sie freut sich fast genau so wie ich. Weniger wegen des Spargels, als vielmehr darüber, dass Sie endlich wieder Gäste bewirten darf – es ist nicht nur ihr Beruf, sondern sie heißt eben gern Gäste willkommen. Wir jedenfalls fühlen uns unheimlich wohl und auch wenn es noch empfindlich frisch ist – wir genießen in vollen Zügen.

Ebenfalls etwas für Geniesser sind die ausgezeichneten Radwege, die uns dann erwarten. Meist abseits von den kleinen, ländlichen Strassen, durch verträumte Tobel und märchenhaften Wald. Und schwupps Lovely Luxemburg hat mein Herz erobert. Diese Liebe steigert sich noch durch die Freundlichkeit, die uns die Luxemburger entgegenbringen, während wir vorbeikeuchen: gereckte Daumen, ein Lächeln oder das flotte «Moien!» das uns fast jeder entgegenruft, den wir treffen. Ich hab unheimlich Spaß daran meine neuen Sprachkenntnisse in die Welt zu schreien und verschrecke so den ein oder anderen Wanderer, der sich seitlich im Wald wandernd vor Begrüssungen gefeit fühlt. Denkste! «Moieeeeeeeen!!!»

Das Wetter ist zwar noch nicht so dufte, aber wir sind ja so einiges gewohnt. Trotzdem sind wir froh, als wir kurz vor dem vorhergesagten Regenschauer bereits im Kirchberg-Viertel von Luxemburg Stadt angekommen sind. Das ist da, wo man ein paar der ganz grossen EU Institutionen findet, wie zum Beispiel den Europäischen Gerichtshof oder den Europäische Rechnungshof. Gleich daneben sind grosse Banken vertreten. Was für ein Zufall. Alles in allem arbeiten hier wohl locker über 10.000 Menschen für die EU. Aber ich höre gerade nur eine Mundharmonikamelodie in meinem Kopf und es fehlen nur noch die über die Strasse kugelnden Dörnenbüsche: es ist absolut nichts los hier. Alle im Home-Office.

Und dann erwartet uns ein ganz besonderes Spektakel: Die Überfahrt der «Grossherzogin-Charlotte» Brücke, die sich über den gesamten «Grund» genannten Talkessel von Luxemburg Stadt spannt. Da fährt Daniel im Pamir locker kurz neben dem 300-Meter-Abgrund ohne Leitplanke entlang, kriegt aber hier einen flauen Magen. Ich bin einfach nur fasziniert und kann mal wieder einmal nicht fassen, was Menschen leisten können.

Nach einer, dank schlau geplanter Radwege, stressfreien Durchquerung der Stadt, gönnen wir uns einen Kaffee in der Fussgängerzone: To sit, kaum zu glauben! Und radeln dann die letzten Meter zu unserem Deluxe-Hotel mitten in der vibrierenden Innenstadt von Luxemburg. Gianni begrüsst und herzlich und das Tandem darf in der Tiefgarage schlafen.

Am nächste Morgen etwas, von dem ich immer geträumt habe: Frühstück aufs Zimmer! Ich fühle mich wie Julia Roberts in «Pretty Woman» – leider gibt es keine Badewanne für Schaumparties! Skandalös! Nach dem Mahl hält uns nichts mehr auf dem Zimmer – wir erkunden hungrig die Stadt. Ich habe mir das MUDAM – the contemporary art museum of Luxembourg ausgesucht und Daniel führt uns durch die Stadt. Es ist früher Morgen, die Sonne wärmt erst ein wenig und strahlt golden über das unfassbare Panorama einer Stadt, die es meiner Meinung nach – und das sage ich NIE – locker mit Rom aufnehmen kann. Neben der Alzette, die gemählich durch das steile Tal fliesst, erheben sich altertümliche Bauwerke, wie die Kasematten. Oder die Festung Luxemburg, gebaut vom Franzosen Vauban, der auch in Freiburg tätig war.

Es gibt viel grün und eine beeindruckende Mischung aus Alt und Neu, das sich harmonisch ineinander einfügt. So auch das moderne Gebäude des MUDAM, das gleich hinter dem altehrwürdigen Drei-Eicheln-Park beginnt. Ich bin schon den ganzen Morgen völlig aus dem Häuschen, weil wir hier mal wieder so unverhofft über eine Perle in Form einer ganzen Stadt gestolpert sind, aber als ich das Museum betrete, muss ich meine Tränen zurückhalten.

Wie habe ich sie vermisst, die Weite, die Schönheit. Einen Ort, der dafür geschaffen ist sich kritisch mit der Welt auseinanderzusetzen, aber auf eine anregende Art. Das Licht dringt auch hier golden durch die grossen Fenster und ich stehe im Hauptraum und spüre körperlich, wie hart es war solche Orte nicht besuchen zu können. Ich fühle mich wie eine Verhungernde, die nun endlich wieder Hoffnung schöpft. Ihr mögt jetzt denken: die Welt hat echt andere Probleme als Museen zu öffnen. Aber ich halte mal dagegen, dass wir von mehr leben als unserer körperlichen Gesundheit – auch wenn diese natürlich einen immensen Teil unseres Wohlbefindes ausmacht. Ich will damit auch nicht schmälern, was gerade auf der Welt passiert. Ich will nur sagen: ein enger Fokus ist nie gut. Er führt dazu, dass das außenrum auch noch wackelt.

Ich schleiche voller Andacht durch die Räume und bin einmal so versunken, dass ich so nah an ein Objekt rangehe, dass man mich ermahnen muss. Ich bin gierig. Auch Daniel geniesst die Stunden und wir zeigen uns dauernd Dinge, die uns begeistern. Als wir das Museum verlassen, fühlen wir uns irgendwie leichter. Auch wenn manche der Themen keine einfachen waren.

Wir stolpern direkt in ein Bio-Restaurant und trinken erstmal ein Apéro. In der Sonne. Auf der Terasse. Ich bin völlig elektrisiert. Diese Stadt um mich, der Tumult in mir, die Bläschen des Sekts:) Ein wenig bedüdelt machen wir uns auf den Weg ins zweite Museum. Ich muss unbedingt mehr über die Geschichte dieser Stadt erfahren. Überraschenderweise gibt es gerade auch noch eine Ausstellung über «Verschwörungstheorien». Darunter sind eher geläufige, wie zum Beispiel das World Trade Center oder die Kodensstreifen der Flugzeuge, aber auch mir neue wie die Barcodes oder aktuelle zum Thema Corona. Zugegebenermassen sind wir ein wenig satt vom Morgen und sind deshalb ein wenig schneller durch. Nichtsdestotrotz: Empfehlenswert!

Als wir wieder in die Sonne treten ist es bereits später Nachmittag und die Stadt ist voller Menschen. Manche mit, manche ohne Maske. Alle Geschäfte sind offen, die Terassen voll. Ich fühle mich wie auf einem anderen Planeten. Wir beeilen uns wieder eine ruhigere Strasse zu finden, trinken noch einen Kaffee und brauchen dann erstmal einen Nap.

Und heute morgen noch das kurze Schwätzchen mit Gianni – und schon ist unser Kurzurlaub in Luxemburg wieder vorbei. Schade, aber ich freue mich auch, auf das was kommt: über das Saarland und den Schwarzwald heim in die Schweiz. Davon erzähle ich euch aber nächstes Mal. «Äddi», wie der Luxemburger sagt.