Zu kurz in Kasachstan

Was fehlt uns noch, um einen Eindruck von ganz Zentralasien bekommen zu haben? Genau, Kasachstan (und genau genommen Afghanistan, dass wir sehr gerne einmal gesehen hätten). Doch schon als wir die Grenze übertreten schwant uns, dass dieses Land anders ist als seine Nachbarn. Und so werden wir von Tee in Schüsselchen zu Coffee-to-Go-Bechern katapultiert.


Von Bishkek, der Hauptstadt von Kirgisistan ist es nicht mehr weit bis zur kasachischen Grenze und so erreichen wir sie morgens gegen 10. Ist auch gut so, denn es erwartet uns eine riesige Schlange am Zoll und die Abfertigung auf der kasachischen Seite ist alles andere zackig, da jedes Auto vom Drogenhund beschnüffelt werden muss und wir einige Tore zu überwinden haben, bis wir in Kasachstan stehen. Gleich nach der Grenze fällt uns auf wie gut die Straßen sind, dass Autos an roten Ampeln halten und der Zebrastreifen tatsächlich funktioniert. Wir sind beeindruckt. Noch mehr, als wir in einem Supermarkt am Straßenrand halten und die Kassiererin englisch spricht. Wir freuen uns, wenn wir uns mit mehr als ein paar Wörtern russisch verständigen können.

Wir brauchen 3 Tage bis Almaty, der früheren Hauptstadt von Kasachstan – die übrigens auch der Ort sein soll aus dem Äpfel ihren Siegeszug durch die Welt antraten! Der erste Tag tritt uns gleich mal richtig in den Hintern. Es ist klirrend kalt und als wir uns mit Gegenwind endlich einen eigentlich harmlosen Pass hinaufgekämpft haben, hört der Wind nicht etwa auf, nein er zieht sibirisch über die erreichte Hochebene und lässt uns nur im Schneckentempo vorankommen. Der Windpark, den wir lange am Horizont bewundern dürfen, zeigt, dass es hier öfters „guten“ Wind hat. Leider kann ich diese Oase der erneuerbaren Energien nicht so richtig schätzen, weil ich zu sehr damit beschäftigt bin, nicht vom Rad gepustet zu werden. Wir finden zum Glück ein Restaurant, in dem wir uns aufwärmen können, bevor wir das Zelt aufschlagen – endlich wieder warme Finger!

Am nächsten Morgen finden wir eine halbe Stunde nachdem wir losgefahren sind einen Shop, der neben heißem Instant-Kaffee auch Gebäck verkauft und wir werden es auch in den restlichen Tagen genießen wieder so etwas wie Raststätten am Wegesrand zu finden, die mehr anbieten als die 5 zentralasiatischen Klassiker, von denen meist nur 2 verfügbar sind. Darunter sind Kafes mit russischen und türkischen Spezialitäten und so macht Essen endlich wieder Spass. Und obendrein sind die Kasachen Feuer und Flamme, wenn sie uns vorbeistrampln sehen. Sie pfeifen, rufen, heben die Daumen, verketten die Hände und halten sie über den Kopf. Wir bekommen sogar echten Kaffee geschenkt in einem kleinen Shop  auf dem Weg und als wir in Almaty erstmal Brot zum Mittagessen vertilgen müssen, weil wir zu fertig sind vom Stadtverkehr, bringt uns der Gemüseladenbesitzer von nebenan erstmal einen Karton zum untern Po legen für Daniel und einen Stuhl für mich und schenkt uns später noch Bananen. Was man halt so braucht als Sportler. Wir sind entzückt.

Als wir am nächsten Tag die Stadt erkunden,  sehen wir noch viele weitere Dinge, die wir schon lange nicht mehr gesehen haben: eine gesperrte Straße für einen Wochenendmarkt, Fußgängerzonen – wirklich ohne Autos! , Polizisten, die Knöllchen verteilen und Fahrradwege. Wir werde auch in den folgenden Tagen das Gefühl nicht los in einer Stadt umherzugehen, die voranstrebt, ihr Gesicht verändert, sich lebenswert präsentiert. Sonntags lustwandeln die Menschen auf der großen Promenade oder in einem der Parks und überall wird gebaut. Vielleicht hängt das mit dem Präsidenten Kasachstans zusammen, der – wie fast alle „Herrscher“ in dieser Region keine Opposition mag und auch schon seit 30 Jahren im Amt klebt – bekanntlich mehr auf Wirtschaft  als auf politische Beteiligung setzt. Er hat die Agenda “ Kazachstan 2050″ herausgegeben, die das Land auf de Entwicklungsstand von Norwegen und Deutschland heben soll. Deutsche Produkte haben wir jedenfalls wieder in den Supermarktregalen entdeckt, aber dass das das Ziel ist, hoffen wir nicht.

Ein anderer Fakt über Kasachstan: Neben den über 60% ethnischen Kasachen, leben hier ca. 30% ethnische Russen und ca. 1% ethnische Koreaner, die während der Sovietzeit hierher umgesiedelt wurden. Das führt z.B. auf dem Green Basar, für mich einer der buntesten Märkte in Zentralasien, dazu, dass es frische koreanische Salate zu kaufen gibt. Ein herrlicher Mix.

Wir machen es wie die lokale Bevölkerung und schlendern durch die Stadt, trinken Kaffee, gehen auf die Märkte und ins Museum und genießen das schöne Herbstwetter in den Parks. Sobald die Menschen erkennen, dass wir deutsch miteinander sprechen, grüßt oder verabschiedet man uns in unserer Sprache oder erzählt wo in Deutschland man schon überall war. Das geht auch so weiter, als wir Almaty wieder verlassen.

Wir fahren auf gewaltigen Alleen immer geradeaus, vorbei an an abgeernteten Feldern hinter denen sich noch die mächtigen Berge des Alatau abzeichnen. Wir campen zwischen diesen Feldern unter einem mächtigen Baum. Alles riecht herrlich nach Herbst. Unsere zweite Nacht ist total anders: nachdem wir den ganzen Tag durch eine Steppe geradelt sind, campen wir hinter einer Düne mitten im Sand und lauschen dem Sandsturm draußen aus dem Zelt:

Am nächsten Morgen sind wir ganz schön versandet und wir schaffen es gerade noch alles zusammenzupacken, bevor es zu regnen beginnt. Daniel hat mal wieder ein Näschen für Wettervorhersage und tatsächliches Wetter bewiesen und so fahren wir nur den halben Tag im Regen bis wir ein erstaunlich gemütliches Hotel in einer Stadt 40 Kilometer vor China beziehen. Wir essen nochmal ganz zentralasiatisch Laghman (Nudeln mit Gemüse und Fleisch), das sich als eines der leckersten der ganzen Reise entpuppt und uns ein wenig nostalgisch werden lässt. Am nächsten Tag geht es nach China. Wir sind aufgeregt, gespannt und neugierig, was uns erwartet. Auf ins Reich der Mitte!