Precious Persia – Iran #1

Persien – das klingt geheimnisvoll und verführerisch. Schwarzhaarige Schönheiten, fliegende Teppiche und gehauchte Poesie. Mit dem Iran betreten wir ein Land, das eine jahrtausende alte Kultur vorzuweisen hat. Noch nie habe ich Menschen erlebt, die Künste so hoch schätzen und für die ferne Geschichte ein ganz alltäglicher Teil des Lebens ist. Und noch nie, nie, habe ich eine solch grenzenlose Hilfbereitschaft erlebt. Trotzdem, der Anfang gestaltet sich holprig im modernen Iran:

Wir fahren noch 40 schweißtreibende Kilometer in Azerbaidschan bevor wir gegen Mittag die Grenze zum Iran erreichen und ein Land betreten, in dem die Menschen so süß sind, wie die Unterschiede groß.

Der Iran ist das erste Land, auf das ich mich kleidungstechnisch einstellen muss. Neben einem Kopftuch, das ich auch beim radeln tragen muss, muss mein Oberteil meinen Hintern bedecken. Das Ganze nennt sich hijab und ist Teil der islamischen Gesellschafts-und Kleiderordnung. Theoretisch dürfen Frauen im Iran nur ihre Füße, Hände und das Gesicht unbedeckt zeigen. Und das bei Temperaturen um die 40 Grad, ich bin gespannt.

Die Grenzprodzedur an dem kleinen Grenzübergang ist in Azerbaidschan sehr überschaulich und es wird darauf verzichtet unser Gepäck zu durchleuchten, obwohl der ganze Reisebus vor uns all sein Gepäck zeigen muss. Man weist uns nur darauf hin, dass Alkohol im Iran verboten ist. Also packen wir unsere Fuselflaschen aus und schenken sie den Beamten. Spass. Wir haben natürlich nichts in der Richtung dabei.

Auf der iranischen Seite schickt man uns den Fuß- anstatt den Autoweg entlang und wir manövrieren das Tandem durch allerlei Absperrungen mithilfe der iranischen Beamten. Es gibt auch hier eine unsichtbare Fast-Lane für offensichtliche Ausländer und nachdem Daniel den Beamten, der ihn fragt, welche Religion er hat mit der Aussage schockt, dass er Atheist ist und dieser ihm augenzwinkernd mitteilt dass das wohl das beste sei, werden wir offiziell in die islamische Republik Iran entlassen.

Wir steuern ersteinmal eine Wechslstube an, um unsere aserbaidschanischen Manat in iranische Rial einzutauschen. Auch hier ist der Iran eine Ausnahme. Normalerweise holen wir mit unseren Kreditkarten überall auf der Welt direkt am Bankautomaten die Landeswährung. Doch durch die jahrelangen weltweiten Sanktionen, die dem Iran wegen des Atomstreits auferlegt wurden, ist der Iran erst seit Anfang 2017 am internationalen Bankensystem angeschlossen und so bekommen wir keinen müden Rial, außer wir tauschen ihn. Das macht unsere Radtaschen zu kleinen Schatzkammern, in denen sich Dollar und Euro befinden.

Der nette Mann in der Wechselstube gibt uns einen erstaunlich guten Kurs und aus unseren über 800 Manat (400 Euro) werden knapp über 18 000 000 Rial. So schnell wird man Millionär und hat einen zu kleinen Geldbeutel um alles hineinzustopfen. Da die vielen Nullen ganz schön verwirrend sind, erklärt uns der Wechselmann alles ganz in Ruhe und macht uns eine Liste welche Scheine wie viel wert sind. Dann gibt es noch Tee und Kekse und ein herzliches “Welcome to Iran” und noch die wichtigsten Wörter wie Tschüss, Brot und Wasser auf persisch. So entspannt kann Geld wechseln sein.

Wieder auf der Strasse machen wir uns auf die Suche nach einer SIM-Karte. Die liebenswürdige Aziza, mit der ich mich zuvor in der Wechselstube unterhalten hatte, will uns gerne dabei helfen. Sie lässt sich auch nicht davon abschrecken, dass 2 Läden keine mehr haben und einer geschlossen ist. Erst als ich ihr sage, dass wir sie nicht dringend brauchen, lenkt sie ein und entschuldigt sich mit “Sorry that I could not help!”. Unglaublich! So lernen wir zum ersten Mal grenzenlose iranische Hilfsbereitschaft kennen.

Wir finden auf dem Weg zum Strand noch einen Laden und dieser hat glücklicherweise SIM-Karten. Auch hier bedient man uns sehr zuvorkommend und erklärt uns alles geduldig.Wir können nämlich weder Buchstaben noch Zahlen lesen. Geschafft von so viel Aufregung flaggen wir uns im Park unter einen Baum und genießen das liebevoll gepackte Essen, dass wir von Turans Mutter mitbekommen haben. Im Laufe des Nachmittags kommen diverse Menschen mit diversen Fragen auf uns zu. Wo wir herkommen und wie wir heißen, wieviel das Garmin-Navi wert ist und ob wir unsere Kinder zuhause gelassen haben. Manchmal fragt man uns um ein Selfie oder einfach nur, ob wir etwas brauchen. Wenn wir sagen, dass wir happy sind, dann bringt man uns trotzdem Saft, Eis, salzige Sonnenblumenkerne und noch mehr Wasser. Man hilft auch gerne beim Abspülen und als wir gehen, werden wir vom halben Park verabschiedet.

Das klingt jetzt vielleicht nach viel Aufmerksamkeit, aber die Iraner haben eine ruhige, unaufdringlich Art uns all diese Fragen zu fragen und uns Kleinigkeiten zu schenken. Wir fühlen uns sehr willkommen.

Gegen 17 Uhr radeln wir noch ein Stück und landen an einem viel besuchten Strand. Ein Mann, der kleine Hüttchen anbietet, bittet uns zu sich und erklärt uns, dass wir so ein Hüttchen für 4 Dollar mieten können. Unser zukünftiger Nachbar versichert, dass es sicher ist und wir hier ruhig schlafen können. Es gibt ein wenig Verwirrung wegen der Übersetzung des Preises und die Frau des Chefs erklärt, sagt, dass wir nichts bezahlen sollen, sondern einfach den Iran genießen sollen. Wir bezahlen natürlich trotzdem und trollen uns mit unseren erstandenen Kirschen an den Strand.

Dort berühren wir zum ersten Mal das kaspische Meer. Baden ohne Ganzkörperanzug ist für mich leider per Gesetz verboten und ich schaue neidisch auf die Männer, die im Wasser tollen. Plötzlich stürmt ein aufgeregter junger Mann auf uns zu. Er ist völlig verzückt, dass wir aus Deutschland kommen, gibt seine sehr guten deutschen Sätze zum Besten und wechselt dann in sehr gutes Englisch. Er liebt Deutschland, er will unbedingt mal hin, ist Zahnarzt und seine Frau ist Doktor, spricht aber leider kein Englisch obwohl er immer sagt,dass man unbedingt englisch lernen muss, genau für solche Situationen wie jetzt. Sie lächelt verschmitzt und lässt ihn weitererzählen.

Die beiden sind mit Verwandten da, die auch auf uns zukommen. Ich gebe der Frau die Hand und will dann zu ihrem Mann schwenken. Meine offen entgeegengestreckte Hand hängt zwischen uns beiden in der Luft. Er macht jedoch keine Anstalten sie zu nehmen, sondern hält nur seine rechte Hand ans Herz und verbeugt sich ein wenig. Ich kann nichts dagegen tun, dass das Lächeln aus meinem Gesicht verschwindet und ich mich zurückgewiesen fühle. Unser Freund erklärt, dass Mann und Frau sich im Iran  aus religiösen Gründen in der Öffentlichkeit nicht die Hand geben können. Gehört habe ich bereits davon, erlebt habe ich es noch nie. Ich bin geschockt und mein Gerechtigkeitssinn ist arg geprellt. Wie kann so etwas sein? Ich bin am Tief des Tages angekommen. Unser neuer Bekannter entschuldigt sich mehrfach für seinen Schwager und lädt uns zu sich nach Hause ein. Wir müssen leider ablehnen, da es noch 8 km zu fahren wären und es bereits dämmert.

Wir ziehen uns in unser Zelt zurück und braten dort weiter, es wird einfach nicht kühler. Ich liege da und frage mich, ob ich mich je an diesen vielen Stoff gewöhnen werde und daran, dass man mich anders behandelt als Daniel. Andererseits sehe ich all diese freundlichen Menschen vor mir, die uns auf dem Weg gegrüsst und willkommen geheißen haben, die uns Sachen geschenkt und uns dafür gedankt haben, dass wir ihr Land besuchen. Ich werde viel über das alles nachdenken, diskutieren und letzendlich werde ich dieses Land fest in mein Herz schließen. Doch an diesem Abend bin ich traurig. Traurig darüber, dass für Frauen so viel verboten ist, aber auch traurig darüber, dass es mich trifft. Eigentlich sollte ich darüber stehen und es als Erfahrung sehen. Doch an diesem Abend werde ich das nicht mehr schaffen.