Wegesrand-Initiative #2: Das ARTiSAN in Schladming

Eine Familie macht´s vor. Andrea und Christian managen zusammen einen Speciality Coffee Shop mit besonderem Bistro, verkaufen handverlesene bio und fair Produkte, haben zwei zauberhafte Kinder und sind dabei tiefenentspannt. So viel Gelassenheit beeindruckt mich und ich muss wissen: Wie machen die das?

Das Cafe ARTiSAN.

Kurz nach unserer Abreise aus Konstanz bekommen wir über die Radfahr-Community Warmshowers, bei der wir Couchsurfinglike Leute anfragen, ob sie uns für eine Nacht Obdach gewähren, eine liebenswürdige Mail von einem Christian, der uns einlädt doch in Schladming einen Stopp einzulegen. Er und seine Familie, bestehend aus seiner Frau Andrea und der 4 -jährigen Antonia und dem 2 ½ -jährigen Lukas, würden sich freuen. Wir sind gerührt von so viel Offenheit und man lernt ja nicht jeden Tag eine andere Antonia kennen, also planen wir unsere Route kurzerhand minimal um, um ins Skiparadies Schladming zu fahren.

Wir erwischen einen Sonntag und Montag, an denen das Café immer geschlossen ist und haben so die Möglichkeit uns viel mit den 4-en auszutauschen. Christian und Andrea erzählen uns von ihren 6 Jahren in Dublin, in denen sie für Google und ebay gearbeitet haben und davon, wie sie wieder in ihre Heimatregion zurückgekehrt sind, um das ARTiSAN zu eröffnen. Am Anfang doch eher eine Art typischer Weltladen mit vielen Produkten ist das ARTiSAN heute ein Café, das zum Verweilen einlädt. Es gibt verschiedenste Kaffeespezialitäten (die sogar über das sonst schon sehr gute Angebot in Österreich hinausgehen), eine kleine aber feine Speisekarte, sowie wechselnde Tagesteller, die frisch von einem der beiden gekocht werden und aus den Küchen der ganzen Welt inspiriert sind. Extrawünsche kein Problem – im ARTiSAN bekommt man individuell gekocht, wenn man ein wenig Zeit mitbringt. Alle Produkte werden möglichst lokal auf dem Markt und bio und fair eingekauft und die gesamte Verarbeitung findet im eigenen Laden statt, inkl. Suppenfonds und selbstgebackenem Brot.

Der ganze Laden atmet Internationalität und inspirierende Ruhe und man kann viele wunderbare Marken entdecken, die ihren ganz eigenen Weg des Wirtschaftens gehen. Ich fühle mich pudelwohl hier, weil ich es genieße, dass ein Laden weiterdenkt und handwerklich hergestellte Produkte, die lokal, bio und fair sind, anbietet. Wenn man Christian danach fragt, wie die beiden die Produkte aussuchen, die sie kaufen, sagt er:

“So regional wie möglich, bio und fair, aber ohne dabei ausgrenzend zu werden. Wenn ein Bauer aus der Region konventionell wirtschaftet, mir aber sagen kann, wie er seine Tiere behandelt und was genau er ihnen füttert und ich das als gut einschätze, dann kaufe ich seine Produkte. Unsere Welt ist komplex und es gibt eben nicht immer schwarz oder weiß. Gerade im Nachhaltigkeitsbereich gibt es viele Zielkonflikte. Hier muss man sich Gedanken machen und einschätzen lernen, was für einen wichtig ist und wie man die einzelnen Dinge gewichtet.”

Ich erahne so langsam, dass ich es hier mit einer faszinierenden Quelle an Wissen und Überlegung zu tun habe und frage nach Projekten, die die beiden in Österreich kennen, die interessant wären für ein Wegesrand-Interview.

Sie nennen mir einige. Vieles muss ich erst googeln, einiges kenne ich bereits. Ich sehe meine Einschätzung, die ich bereits vor der Reise hatte, dass es die Österreicher geschafft haben, eine Vorreiterrolle in Europa bezüglich Nachhaltigkeit zu übernehmen, bestätigt. Liegt es an der Liebe zu Ihrer Heimat, die überall spürbar ist oder an den 8 Mio Einwohnern, die sich irgendwie mehr der Wurzeln der Herkunft ihres Essens bewusst sind? Erklären kann ich es nicht, aber feststellen: für mich bildet das ARTiSAN die Verlängerung einer Reihe an Pionieren im Nachhaltigkeitsbereich, die in Österreich angefangen haben und inzwischen oft weltweit tätig sind. Viele verschiedene Projekte, Produkte und Marken, die einen konsequenten Weg eingeschlagen haben, der uns allen zeigt: Genuss und Nachhaltigkeit lassen sich wunderbar vereinen. Man muss nur wollen. Die Familie macht’s vor. Und die Gelassenheit ist (fast) immer mit an Bord, weil die Offenheit überwiegt. Das nehm ich mir als Vorbild.

Eine letzte Sache bleibt: Was ist der Wandertipp der beiden:

Wir fühlen uns am wohlsten, wenn wir auf allen Ebenen unseren Werten treu bleiben. Dazu zählt, jeden Menschen, genauso wie die Natur, einschließlich unserer Lebensmittel, zu schätzen. Mit diesen Grundpfeilern haben wir uns getraut, unser Angestelltenleben aufzugeben und ohne Branchenerfahrung das ARTiSAN Café mit Shop zu eröffnen.

Wir nahmen uns von Anfang an vor, uns jederzeit die „Freiheit“ zu nehmen zu sagen, dass das so in der Art doch nicht stimmig ist, ganz ohne Reue. In den letzten 7 Jahren haben wir viel gelernt, ständig Neues ausprobiert, manches verworfen, anderes beibehalten. Das Leben ist zu kurz um schlechten Kaffee zu trinken.

Danke Christian, Andrea, Antonia und Lukas! Wir würden immer wieder gern im ARTiSAN chillen!

Falls ihr Lust habt ein paar weitere der österreichichen Vorreiter kennenzulernen, hier ein paar Links:

Lebensmittel

  • Zotter, verführerische Schokipioniere mit Haltung – Schokiführung am Standort bei Graz für Zuckerschnuten wärmstens empfohlen!
  • Sonnentor, Tees, Gewürze, unglaublich leckere Rezepte und hohe Standards bei der Auswahl ihrer Produzenten
  • Das Gramm in Graz – verpackungsfreier Laden

Urlaub

  • Naturhaus Lehnwieser mit integrierteem sozialen projekt „Daniel“ und vielem mehr zum Entdecken

Non-Food

Magazine
  • Biorama – eines meiner Lieblingsmagazine für nachhaltigen Konsum
  • Auf der Homepage gibt es auch eine Map, die nachhaltig Unternehmen in vielen Ländern zeigt. Schau doch ma rein, wen es in deiner Stadt so gibt.

Bitte beachten: Die Liste ist unvollständig und bildet nur meinen (beschränkten) Horizont ab. Sicher gibt es noch viel mehr unglaublich wunderbares in Österreich! Geht hin und entdeckt all die kleinen regionlen ProduzentInnen selbst! Wir sind an vielen Microbreweries, Kürbiskernölpressern und sonstigem vorbeigeradelt!

Warum das alles?

Auf unserem Weg bis nach Indonesien werden wir hier und da ein wenig vom Weg abweichen und die ein oder andere Initiative, ein Projekt, einen Menschen oder eine Idee portraitieren. Am Ende soll eine Geschichtensammlung entstehen, die inspiriert, aufregt, zum Nachdenken oder Nachahmen anregt, die zeigt, dass viele verschiedene Menschen sich an vielen verschiedenen  Stellen einbringen, um einen Unterschied zu machen.